Der Stein der Leisen

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Bei Harnröhrensteinen, die die ableitenden Harnröhren verlegen, staut sich Urin in das Nierenbecken zurück, so dass dieses erweitert wird. Ein aktueller Fallbericht über Katze Lilly zeigt, dass bei chronisch nierenkranken Katzen ein Harnröhrenstein die CNE akut verschlechtern kann.

Wenn der Urin nicht abfließen kann, verbleiben Giftstoffe im Blut. So kommt es hier zum Anstieg der Urämietoxine und auch zu einem Anstieg der Nierenwerte wie Kreatinin, Harnstoff und Phosphat. Zudem kommt es zu einer Druckbelastung der Filtrationseinheiten (Nephrone) und damit verbundenen, zusätzlichen Funktionsstörungen der betroffenen Nieren. Das ist im Falle einer bestehenden Nierenschädigung bei CNE besonders tragisch, weil so das Fortschreiten der CNE gefördert wird. Damit verschlechtert sich der Zustand der nierenkranken Katze, obwohl die Ursache nicht in der Niere selbst, sondern in den harnableitenden Wegen liegt.

Solche Harnröhrensteine sind meist unauffällig und klinisch „leise“. Erst wenn sie Probleme machen, müssen sie entfernt werden, was bei der Katze nicht ganz einfach ist. Der überwiegende Teil (ca. 90%) dieser Steine besteht aus Kalziumoxalat und kann daher nicht aufgelöst werden. Im Fallbeispiel von Lilly wurde ein chirurgischer Weg gewählt. Die Nierenwerte verbesserten sich nach dem Eingriff, stiegen nach 1,5 Jahren jedoch wieder an.

Insbesondere der Mangel an Appetit und diesem folgend der Gewichtsverlust waren problematisch bei der chronisch nierenkranken Katze.

 

Kein Appetit bei CNE

Chronisch nierenkranken Katzen vergeht der Appetit. Sie sind nicht nur weniger aktiv, sondern fressen nur lustlos. Die Schwäche der Katze und die allgemeine Abgeschlagenheit sind meist eine Folge der Ausmergelung aufgrund einer zu geringen Futteraufnahme bei einem Mangel an Appetit. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Fressunlust im Zusammenhang mit einem erhöhten Blutspiegel an urämischen Toxinen steht. Urämische Toxine wie Indoxylsulfat reichern sich zunächst im Blut, dann in den unterschiedlichen Organen an und können dort ihre Schadwirkung entfalten. (siehe Blogbeitrag Urämische Toxine).

Bei Appetitmangel werden auch weniger Proteine aufgenommen, aus denen dann weniger urämische Toxine entstehen können. Das hat nur einen scheinbaren Vorteil, denn in den Organen und auch im Blut befinden sich noch hohe Mengen an diesen Nierengiften, da die kranken Nieren diese nicht mehr genügend ausscheiden können. Die reduzierte Proteinaufnahme jedoch hat negative Folgen für die CNE-kranke Katze.

 

Graue Katze liegt lethargisch und appetitlos auf Fensterbank - Blick in die Kamera
Ein Proteinmangel kann für die obligaten Fleischfresser fatale Folgen haben.

 

Proteinmangel durch Fressunlust oder/und Nierendiäten

Ein Proteinmangel kann für die obligaten Fleischfresser fatale Folgen haben. Auf der einen Seite ist es zwar wünschenswert, dass die Katze weniger Proteine frisst, damit weniger urämische Toxine entstehen können. Auf der anderen Seite ist ein Proteinmangel verbunden mit einem Verlust an Muskelmasse, da die Katze die eigene Muskulatur verdaut.

Der Stoffwechsel der Katze ist hochspezifisch auf die Verdauung von hohen Proteinmengen spezialisiert. Findet die Katze zu wenig Protein in ihrer Nahrung, geht sie an die eigenen Proteinreserven.  Diese stecken eben in der Muskulatur. Der Abbau der Muskulatur wiederum führt zu einer weiteren Schwächung der Katze und zu einem Anstieg von Kreatinin, das aus dem Muskelstoffwechsel entsteht. Zudem macht sich ein Proteinmangel bei der Katze bemerkbar durch erhöhte Anfälligkeit für Infektionen, Depressionen und eine Störung des Nervensystems, der Blutbildung (z.B. sichtbar als Anämie) und auch als Wundheilungsstörung.

Nierendiäten enthalten weniger Proteine, um so das Problem der urämischen Toxine zu umgehen. Allerdings wird das relevanteste Urämietoxin (Indoxylsulfat) aus einer essentiellen Aminosäure gebildet. Diese muss also auch in Nierendiäten enthalten sein. Mittlerweile ist das Thema Proteinreduktion von CNE-Katzen bei Experten umstritten. Zumal Nierendiäten häufig keine hochverdaulichen Proteine enthalten, sondern Weizengluten, ein pflanzliches Protein, das für Fleischfresser keine natürliche Proteinbasis darstellt.

 

Die Qualität der Proteine ist entscheidend, nicht die Quantität?

Hochverdauliche Proteine sind für die Katze solche, die schon im Dünndarm aufgeschlossen werden. Sie gelangen daher gar nicht erst in den Dickdarm, wo die natürliche Darmflora Proteine aufschließt. Bei diesem mikrobiellen Aufschluss im Dickdarm entstehen die Vorstadien urämischer Toxine. Hier beginnt also das Unheil. Mit hochverdaulichen Proteinen könnte natürlicherweise die Entstehung urämischer Toxine reduziert werden, ohne dass die Gesamtproteinmenge des Futters reduziert werden müsste. Dies ist zumindest ein denkbarer Ansatz, um dem steigenden Blutspiegel an Urämietoxinen zu begegnen – bei Beibehaltung schmackhafter Proteine für die Katze.

Allerdings sind solche hochverdaulichen Proteine sehr teuer. Weil sie beispielsweise in reinem Muskelfleisch und Innereien enthalten sind. Das kann möglicherweise ein Grund dafür sein, dass nur wenige Futtermittel überhaupt hochverdauliche Proteine und dann auch nur in geringen (?) Mengen enthalten.

Mittlerweile gibt es einen relativ neuen Ansatz der oralen Dialyse, um die urämischen Toxine deutlich zu reduzieren. Hierfür wird ein hochspezifischer Adsorber (Binder) über das Futter gemischt. Der fischt nur die urämischen Vorstufen aus dem Darm und scheidet sie dann mit dem Kot aus. Das führt zu einer Reduktion des Blutspiegels an Nierengiften – ein für die Katze unschädlicher Ansatz. Die Wirkung ist unabhängig von der aufgenommenen Proteinmenge und Proteinart, also bei jedem Futter umsetzbar.

Katzen sind Proteingourmets

Katzen lieben Proteine. Sie können sie gut riechen und sie schmecken ihnen. Das genau ist das Problem an der Nierendiät. Viele Katzen mögen diese nicht oder verweigern sie im Laufe der Zeit. Bei Katzen mit Appetitmangel ist es problematisch, wenn die Katze nicht ihre ganze Portion auffrisst. Eine gewünschte Proteinreduktion durch die Nierendiät kann zu einer weiteren ungeplanten Proteinreduktion der Katze führen, wenn diese ihr proteinreduziertes Diätfutter nicht oder nicht vollständig frisst. Dann kann sie in einen unerwünschten Proteinmangel geraten mit den o.g. Folgen.

 

Gewinn durch Gewicht

In Studien konnte gezeigt werden, dass Katzen mit gutem oder sogar übergewichtigem Ernährungszustand bei der CNE bessere Überlebenschancen haben. Daher kann möglicherweise im Einzelfall die Beibehaltung des geliebten Futters sinnvoller sein als der Wechsel auf eine Nierendiät, die die Katze schlecht frisst.

Hauptsache die Katze frisst. Und das auch langfristig.

Für die Urämietoxine und auch für den Phosphatüberschuss, der sich in Verbindung mit der Verfütterung von Fleisch und Innereien bei der CNE-Katze ergeben kann, sind entsprechende Zusatzprodukte, die den Blutspiegel reduzieren, beim Tierarzt erhältlich.

 

Konsequentes Fressen ist bei CNE essentiell

Neben dem Anbieten entsprechend gutschmeckender (qualitativ hochwertiger Proteine) Nahrung, kann zumindest zeitweise ein Mittel gegeben werden, welches hilft den Appetit anzuregen. Hier gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Die Verabreichung von appetitanregenden Medikamenten und Arzneistoffen ist gerade bei schlecht fressenden Katzen sehr schwierig, so dass oral zu verabreichende Tabletten meist nicht eingegeben werden können. Eine neue Ohr-Salbe, in der der Wirkstoff (Mirtazapin) direkt über die feine Haut der Ohren in die Blutbahn gelangt, kann vom Katzenbesitzer gut und regelmäßig angewendet werden. Meist ist auch eine Reduzierung der Urämietoxine durch den oralen Adsorber mit einem zunehmenden Appetit verbunden. Im Fall von Lilly hat die Ohr-Salbe eine positive Wende eingeleitet und zur Stabilisierung des Gewichtes beigetragen.

 

Quellen:

  • Dahlem, D. (2021): Akuter Schub der chronischen Nierenerkrankung bei der Katze – erkennen und therapieren. Katzenmedizin, 3, S. 16–20.
  • Fröhlich, L. (2021): Lilly – Akute Dekompensation einer chronischen Nierenerkrankung – Fallbericht. Kleintiermedizin, 4-21, S. 24–27.