Azotämie und Urämie bei der CNE

Bei Katzen mit chronischer Nierenerkrankung (CNE) kommt es zu einer Azotämie und im fortgeschrittenen Stadium zusätzlich zu einer Urämie. Was genau ist unter diesen Zuständen zu verstehen und wie unterscheiden sie sich voneinander?

 

Nierenfunktionsstörung

Die Azotämie beschreibt im Zusammenhang mit der chronischen Nierenerkrankung die Blutwert-Erhöhung der „Nierenmarker“ Kreatinin und/oder Harnstoff. Es kann dabei die Erhöhung beider Blutwerte oder auch nur eines der beiden Blutwerte vorliegen. Die Azotämie zeigt dabei die Funktionsstörung in Bezug auf die Ausscheidungskapazität der Nieren.

 

Marker im Blut

Kreatinin

Kreatinin, das auch bei der internationalen Expertengruppe der IRIS (International Renal Interest Society) als entscheidender Marker für die Diagnose und Stadieneinteilung verwendet wird, steht stellvertretend für die Ausscheidungskapazität in Form der glomerulären Filtration der Nieren. Das aus dem Muskelstoffwechsel stammende Kreatinin wird über die Nierenkörperchen (die Filtrationseinheit des Nephrons, auch Glomerulum genannt) durch Filtration aus dem Blut ausgeschieden. Dies geschieht im Glomerulum und wird daher auch glomeruläre Filtration genannt. Ist diese Filtration unzureichend, wird weniger Kreatinin aus dem Blut ausfiltriert und staut sich somit ins Blut zurück. Damit steigt der Blutspiegel von Kreatinin an. Der Anstieg von Kreatinin deutet auf eine Ausscheidungsstörung hin.

Kreatinin hat einen sehr breiten Normbereich. Katzen haben daher einen individuellen Referenzwert. Bei manchen Katzen, die einen Anstieg von 15–20% ihres Kreatininwertes haben, was auf ein Nierenproblematik hindeutet, kann der Kreatininwert immer noch im Normbereich liegen. Daher ist es sehr sinnvoll, die Katze jährlich überprüfen zu lassen, um diesen individuellen Kreatininwert zu kennen. Nur dann kann frühzeitig eine beginnende CNE durch den o.g. Kreatininanstieg im Blut erkannt werden. Leichter ist es heutzutage mit dem SDMA-Wert, der frühzeitiger als Kreatinin ansteigt, wenn die Nieren ihre Leistung einbüßen. Kreatinin ist zudem abhängig von der Bemuskelung der Katze und ihrem Fressverhalten: Sinkt die Muskelmasse bei der CNE ab, z.B. dadurch, dass die Katze zu wenig (Proteine) frisst, ist der Kreatininwert niedriger und täuscht eine bessere Situation vor, als sie tatsächlich besteht. Das ist bei SDMA nicht der Fall, da er unabhängig von der Muskelmasse ist.

 

Harnstoff

Harnstoff ist ein Abfallprodukt des Proteinstoffwechsels und wird ebenfalls über das Glomerulum aus dem Blut filtriert. Es kann allerdings, anders als Kreatinin, aus dem anschließenden Röhrensystem wieder zurückgewonnen (=resorbiert) werden.

Ein Anstieg von Harnstoff kann zunächst einmal im Zusammenhang mit einer erhöhten Proteinaufnahme stehen. Dabei entsteht mehr Harnstoff und der Blut-Harnstoffspiegel ist erhöht.

Bei Austrocknung der Katze, wenn folglich weniger Harn ausgeschieden wird, kann der Harnstoffwert im Blut ansteigen. Bei einem hohen Wasserverlust, wie er in Zusammenhang mit der CNE auftritt, kann die Rückgewinnung von Harnstoff aus dem Röhrensystem reduziert sein, so dass der Blut-Harnstoffwert niedriger ist, als es für das CNE-Stadium zu erwarten wäre.

Auch bei fehlendem Appetit und geringer Proteinaufnahme kann der Harnstoffwert erniedrigt sein. Dennoch steht ein erhöhter Harnstoffwert gerade in späteren Stadien der CNE für eine Urämie.

Hier erfährst Du mehr über die notwendigen Blutuntersuchungen bei der CNE

Grau getigerte Katze liegt auf der Seite mit den Pfoten in der Luft und schaut in die Kamera
Die Azotämie zeigt die Funktionsstörung in Bezug auf die Ausscheidungskapazität der Nieren.

Klinische Folgen der Nierenfunktionsstörung

Eine Urämie ist eine sogenannte Harnvergiftung des Blutes und steht für die klinischen Folgen (Symptome) einer reduzierten Nierenfunktionen zu der neben der Entgiftungs- und Ausscheidungsfunktion, der Regulierung von Wasser- und Elektrolyten und des Säure-Basen-Haushaltes auch die Hormonproduktion zählt. Über die drei Hormone, die die Nieren produzieren, regulieren sie damit zudem den Blutdruck (Hormon Renin), die Blutbildung über das Hormon Erythropoetin und den Phosphat-und Kalziumstoffwechsel (Hormon Calcitriol). All diese Aufgaben sind im Rahmen der CNE beeinträchtigt und an veränderten Laborwerten und dem Auftreten klinischer Symptome in sehr unterschiedlicher Weise sichtbar.

 

FGF-23: ein neuer Akteur am Spielfeld?

Als Laborparameter im Zusammenhang mit der Urämie wird neuerdings auch FGF-23 diskutiert. FGF-23 ist im Rahmen der Regulierung des Phosphat-Plasmaspiegels tätig. FGF-23 kann dabei den Phosphat-Wert im Normbereich halten, auch wenn bereits Einschränkungen der Phosphatausscheidung durch Glomerula-Schäden und -Ausfälle gegeben sind. Damit könnte dieser Parameter hilfreich sein, darüber zu entscheiden, ob und inwieweit eine Phosphatreduktion (über das Futter und/oder Phosphatbinder) angezeigt ist. Zurzeit wird FGF-23 noch nicht routinemäßig im Labor mituntersucht, wenn das Blut von Katzen auf die Nierenparameter getestet wird.

 

Bösewicht aus den eigenen Reihen

Anders verhält es sich mit Indoxylsulfat. Das urämische Toxin, welches natürlicherweise aus dem mikrobiellen Abbau der Aminosäure Tryptophan entsteht. Tryptophan kommt in Pflanzen und in dem Fleisch von Pflanzenfressern (Rind, Schaf, Ziege, Geflügel etc.) vor.

Tryptophan wird durch die natürliche Darmflora im Dickdarm aufgeschlossen. Dabei entsteht als Vorstufe Indol, welches über den Blutkreislauf zur Leber gelangt, wo es zu Indoxylsulfat, dem eigentlichen urämischen Toxin umgebaut wird. Dieses Urämietoxin muss dann über die Nieren ausgeschieden werden.

Die Ausscheidung findet zu 10% über glomeruläre Filtration statt, zu 90% im Röhrensystem, wo es mit Hilfe eines Transportsystems aktiv in den Urin ausgeschieden wird. Sind im Rahmen der CNE beide Ausscheidungswege reduziert, reichert es sich im Nierengewebe an und führt dort zu weiteren Schäden, die das Fortschreiten der chronischen Nierenerkrankung bewirken.

Zudem hat Indoxylsulfat weitere schädliche Auswirkungen auf den Katzenkörper: Es verändert die natürliche Darmflora und führt damit zu einem Ungleichgewicht der vorhandenen Bakterien (Dysbiose), was zu Magen-Darm-Problemen und einer zusätzlichen Überproduktion an Indoxylsulfat führt. Indoxylsulfat ist Teil der Darm-Nieren-Achse, die den Zusammenhang zwischen den Veränderungen in der Darmflora (Mikrobiota) und den gesundheitlichen Folgen für die Nieren beschreibt sowie umgekehrt die Auswirkungen der CNE (Erhöhung von Indoxylsulfat durch zu geringe Ausscheidungskapazität) auf die Darmmikrobiota.

 

Gradmesser der Urämie

Bei der CNE ist Indoxylsulfat im Rahmen der Urämie an vielen Prozessen beteiligt, die nicht nur zu klinischen Symptomen führen (Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust auch durch Muskelschwund, Erbrechen, Übelkeit, Durchfall), sondern auch das Fortschreiten der Erkrankung fördern. Hierzu gehört u.a. auch, dass Indoxylsulfat einen negativen Einfluss auf den Phosphat-Stoffwechsel hat.

Bereits ab dem IRIS-Stadium II sind höhere Blutspiegel an Indoxylsulfat nachweisbar. Im Stadium IV ist der Indoxylsulfat-Wert am höchsten. Je höher der Indoxylsulfat-Spiegel, desto intensiver sollten die Bemühungen um eine Reduktion urämischer Toxine sein.

Indoxylsulfat kann als prognostischer Wert für den klinisch relevanten Zustand der Katze (dem Grad der Urämie) stehen. Die routinemäßige Untersuchung wird zurzeit nur in einem deutschen Labor angeboten.

 

Quelle:

  • von Luckner, J. & Stieger, N. (2023). Die urämische Katze. In: Katzenmedizin, 13. 24–27.