Musterhafte CNE

Zusammenfassung

  • Die Chronische Nierenerkrankung (CNE) ist mit einer Vielzahl an klinisch-pathologischen Veränderungen verbunden
  • Es gibt Empfehlungen für die Diagnose und das Management dieser Erkrankung sowohl von der IRIS als auch von der ISFM
  • Viele Begleiterkrankungen treten im Zusammenhang mit der CNE auf

 

Die Chronische Nierenerkrankung (CNE) der Katze ist eine der häufigsten Erkrankungen älterer Katzen und die häufigste Todesursache bei Katzen über 5 Jahren.

Wenngleich ihre Ursache meist nicht mehr nachvollzogen werden kann (beispielsweise toxische Ursachen oder auch virale Infekte und chronische Entzündungen), ist ihr Verlauf progressiv und mit einer Vielzahl an klinisch-pathologischen Veränderungen verbunden. Das macht die Chronische Nierenerkrankung so komplex.

Es gibt Empfehlungen für die Diagnose und das Management dieser Erkrankung sowohl von der IRIS (= International Renal Interest Society) als auch von der Internationalen Gesellschaft für Katzenmedizin (ISFM = International Society of Feline Medicine). Zudem gibt es neuere Ansätze, die Erkrankung frühzeitig mit Hilfe computergestützter Vorhersagen zu erkennen, um so möglichst früh die von CNE betroffenen Katzen behandeln zu können.

Für die Prognose der CNE ist ihre Schwere (= Stadium der CNE) zur Zeit der Erstdiagnose entscheidend. Denn eine frühzeitige Behandlung kann das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen und dadurch die Lebenserwartung der Katze erhöhen. Zudem lassen sich die klinischen Symptome reduzieren und dadurch die Lebensqualität der Katze verbessern. Daher ist ein frühzeitiges Erkennen der CNE sinnvoll und wird von den o.g. Expertengruppen empfohlen. Es ist jedoch in der Praxis nicht einfach, die Chronische Nierenerkrankung frühzeitig zu erkennen.

Verringerung der Filtrationsleistung prognostizieren

Für die computergestützte Voraussage wie auch für die Diagnosestellung und das Staging nach IRIS wird der Kreatinin-Blutspiegel verwendet.

Kreatinin gilt in der Katzenmedizin als Indikator für die Filtrationsleistung der Nieren. In der Humanmedizin bestimmt man dazu die sogenannte Glomeruläre Filtrationsrate (GFR). Diese ist bei der Katze allerdings nur mit hohem Aufwand zu ermitteln. Dabei verhalten sich die Filtrationsleistung und der Kreatinin-Blutspiegel indirekt proportional zueinander: Sinkt die Nierenleistung, steigt der Blutspiegel. Für das Computermodel wird zusätzlich noch der Harnstoff-Blutspiegel (auch BUN genannt) sowie das Spezifische Gewicht des Harns und das Alter der Katze als prognostische Indikatoren verwendet.

Wie kann man die Veränderung der Filtrationsleistung messen?

Der Harnstoff-Spiegel im Blut steigt ebenfalls an, wenn die Filtrationsleistung der Nieren sinkt. Harnstoff ist eine harnpflichtige Substanz, die über die Nieren ausgeschieden werden muss. Sie hat keine weitere Bedeutung für den Katzenkörper. Es ist ein Abfallprodukt, wie etwa urämische Toxine. Jedoch ist Harnstoff an sich nicht giftig. Der Harnstoffwert gilt als Indikator für die Menge an zurückbehaltenen giftigen Abfallprodukten (= urämische Toxine), die ebenfalls harnpflichtig aber zusätzlich auch toxisch sind. Der Harnstoffwert ist allerdings von vielen weiteren Faktoren abhängig, die nicht im Zusammenhang mit der Nierenleistung stehen. Dazu zählen etwa der Proteinanteil des Futters und die letzte Futteraufnahme.

Der Kreatininwert ist ebenfalls nur ein hinreichender, aber kein absoluter Indikator für die Nierenleistung, da er vom Muskelstoffwechsel, der Bemuskelung der Katze und auch vom Alter abhängig ist und stark schwanken kann. Der Referenzbereich für Kreatinin ist daher sehr weit gefasst. Kreatinin ist damit kein akkurater Einzelindikator für das Vorliegen einer CNE, aber bislang bei Katzen die beste Möglichkeit, sie mithilfe weiterer Faktoren (z.B. Harnstoff-Blutspiegel, Vorliegen von Proteinurie, Urin Protein-zu-Kreatinin-Verhältnis [= UPC], Spezifisches Harngewicht und Bluthochdruck) zu diagnostizieren und in vier Stadien (IRIS) einzuteilen.

Der inviduelle Kreatininwert der Katze ist von vielen Faktoren abhängig.

Das Spezifische Gewicht des Harns ist ein Maß für die Fähigkeit der Nieren, gelöste Stoffe (hier vor allem Abfallprodukte des Stoffwechsels) über Wasser auszuscheiden. Das Spezifische Gewicht sinkt, wenn die Nieren ihre Filtrationsleistung verringern. Dann wird der Harn deutlich heller. Das kann aber auch vorkommen, wenn die Katze sehr viel Wasser aufgenommen hat und ausscheiden muss. Das Spezifische Harngewicht einer einzelnen Urinprobe ist daher schwer zu beurteilen.

Unsichtbarer Start der CNE

Seit wenigen Jahren gibt es zudem den sog. SDMA-Test (Symmetrisches Dimethylarginin), der noch vor Kreatinin bei einer Verringerung der Filtrationsleistung der Nieren ansteigt. Damit hilft er eine Chronische Nierenerkrankung bei Katzen bis zu 17 Monate früher zu identifizieren.

Auch der Blutspiegel des urämische Toxins Indoxylsulfat konnte als Biomarker bei Katzen und Hunden mit Chronischer Nierenerkrankung frühzeitig die Erkrankung und auch die Progression vorhersagen.

Mithilfe des Computermodels, das mit Daten von über 100.000 Katzen erstellt wurde, konnte mit den o.g. vier Indikatoren (Blutwerte von Kreatinin und Harnstoff, Spezifisches Gewicht des Harns und Alter der Katze) eine gute Vorhersage auf das Vorliegen einer CNE erreicht werden. Dabei wurden Katzen mit CNE durch das Modell bereits 1–2 Jahre früher diagnostiziert. Gerade das Zusammenspiel der vier Indikatoren ist dabei wichtig. Der Algorithmus konnte bei den vier Indikatoren gute Vorhersagen treffen auch oder gerade wenn sie noch im Normalbereich waren, weil die zeitlichen Veränderungen der Werte die Hinweise auf das Vorliegen der CNE gaben.

Der Blutspiegel des urämische Toxins Indoxylsulfat konnte als Biomarker bei Katzen und Hunden mit Chronischer Nierenerkrankung frühzeitig die Erkrankung und auch die Progression vorhersagen.

Das zeigt auch, wie schwierig es ist, die CNE frühzeitig zu identifizieren. Nicht nur, dass die Ursache häufig unbekannt ist, sondern anfänglich können die Werte und hier v.a. auch Kreatinin im Normalbereich liegen, obwohl bereits eine CNE vorliegt. Zudem bestehen die o.g. Schwierigkeiten, dass kein Einzelindikator alleine akkurat genug für die Prognose der CNE ist, sondern auch von weiteren Faktoren beeinflusst werden kann. Da das Zusammenspiel der einzelnen Werte aus Blut- und Urinproben als auch ihr Verlauf wichtig sind für die Diagnosestellung der CNE, empfehlen die Experten, mindestens einmal jährlich einen tierärztlichen Check-up mit Blut- und Urinuntersuchung bei Katzen im Alter von über 7 Jahren zu machen.

Nach der Diagnose folgt das Staging

Mithilfe des Computermodells wird das aktuelle bzw. auch zukünftige Risiko für CNE vorausgesagt. Im Gegensatz dazu findet das IRIS-Staging, nach der Diagnose statt. Organisationen wie IRIS und ISFM fördern aktiv die Langzeit-Überwachung des Gesundheitszustands (Monitoring) durch mindestens jährliche Check-ups, besser sogar halbjährliche Kontrollen bei Katzen im Alter von über 7 Jahren.

Zu den Check-ups gehören neben Blut- und Urinuntersuchungen auch die Allgemeinuntersuchung der Katze mit der Bestimmung ihres Gewichts, des sog. Body-Condition-Scores und der Bemuskelung der Katze. Auch eine Blutdruckmessung halten die Experten für sinnvoll, da Bluthochdruck häufig in Zusammenhang mit der CNE steht.

Es geht im Wesentlichen darum, die Chronische Nierenerkrankung frühzeitig zu erkennen und entsprechend frühzeitig behandeln zu können. Das IRIS-Staging wird durchgeführt, um geeignete Behandlungen basierend auf dem Krankheitsverlaufs bzw. dem entsprechenden Stadium durchzuführen.

Die chronische Nierenerkrankung kommt selten allein

Bei dieser großangelegten Untersuchung zur Erstellung des Computermodells fanden sich auch Komorbiditäten, das sind Erkrankungen oder Symptome, die in Zusammenhang mit der CNE diagnostiziert wurden. Darunter waren Hyperthyreoidismus (= Schilddrüsenüberfunktion), Diabetes mellitus (= Zuckerkrankheit), Inflammatory bowl disease (IBD). Als Symptome traten beispielsweise Erbrechen, Verstopfung und Untergewicht auf, die häufig in Zusammenhang mit der CNE zu beobachten sind, aber auch andere Ursachen haben können.

 

Quellen:

  • Bradley; R. / Tagkopoulos, I. / Kim, M. / Kokkinos, Y. / Panagiotakos, T. & Elliott, J. (2019): Predicting early risk of chronic kidney disease in cats using routine clinical laboratory tests and machine learning. Journal of Veterinary Internal Medicine, 33, 2644–2656.
  • Sparks, A. H. / Caney, S. / Elliot, J. / Finch, N. / Gajanayake, I. / Langston, C./ Lefebvre, H. / White, J. & Quimby, J. (2016): ISFM Consensus Guidelines on the Diagnosis and Management of Feline Chronic Kidney Disease. Journal of Feline Medicine and Surgery,18, S. 219–239.
  • IRIS-Staging: http://www.iris-kidney.com/pdf/IRIS_Staging_of_CKD_modified_2019.pdf