Geriatrie – verlass mich nie

 

Zusammenfassung

  • In der Tiermedizin gewinnt die Geriatrie zunehmend an Bedeutung, da auch unsere Hunde und Katzen immer älter werden
  • Die Vorsorgeuntersuchungen für Katzen beginnen ab einem Alter von 7 Jahren
  • Geriatrische Katzen ohne Symptome sollten zweimal pro Jahr (alle 6 Monate) einen Gesundheits-Check inklusive Blutdruckmessung durchlaufen

Die geriatrische Medizin (= Altersmedizin) ist aus der Humanmedizin als Spezialgebiet nicht mehr wegzudenken. Spezialisierung deswegen, weil sich dieser Zweig der Medizin mit altersbedingten und alterstypischen Erkrankungen aber auch mit Mehrfacherkrankungen (= Multimorbidität) befasst. Auch in der Tiermedizin gewinnt die Geriatrie zunehmend an Bedeutung, da auch unsere Hunde und Katzen immer älter werden. Gesundheitsvorsorge ist daher gerade bei Senioren (Katzen im Alter von 9–14 Jahren) sowie geriatrischen Katzen (ab 15 Jahren) sinnvoll.

Lebensqualität erhöhen

Die altersbedingten Veränderungen bei Katzen sind dabei schwer von krankheitsbedingten Auffälligkeiten zu unterscheiden. Dies betrifft beispielsweise das eingeschränkte Hör- und Sehvermögen. Die geriatrische Gesundheitsvorsorge will die alterstypischen Erkrankungen wie die CNE, aber auch Neubildungen (Neoplasien), frühzeitig vor dem Auftreten erster Symptome erkennen, um die Lebenslänge und Lebensqualität zu verbessern.

Je älter desto öfter

Die Vorsorgeuntersuchungen für Katzen beginnen ab einem Alter von 7 Jahren  und beinhalten jährliche Check-ups mit Labor Untersuchungen (z.B. Blut und Urin) und der Allgemeinuntersuchung der Katze. Empfehlenswert ist darüber hinaus auch eine Blutdruckmessung der Katze. Blutdruckerhöhungen und CNE stehen ja im direkten Zusammenhang.

Ein hoher Score ist schlecht

Geriatrische Katzen ohne Symptome sollten zweimal pro Jahr (alle 6 Monate) einen Gesundheits-Check inklusive Blutdruckmessung durchlaufen. Hier spielt zusätzlich zu den o.g. Untersuchungen v.a. die Überprüfung und Kontrolle des Gewichtes eine Rolle. Bereits ein Gewichtsverlust von 5–10% wird als klinisch auffällig erachtet. Gewichtsverlust gilt als Risikofaktor der CNE und steht mit einer schlechteren Prognose in Zusammenhang.

Zur Beurteilung des Gewichtes wird neben dem Wiegen der Body Condition Score (BCS) visuell und durch Betasten des Katzenkörpers bestimmt. Der BCS wird in 9 Skalenstufen eingeteilt und nach Bemuskelung und Fettmasse der Katze beurteilt. Mit diesem Skalenmodell werden Katzen in unterschiedliche Stufen von untergewichtig (Skalenwerte 1–4), normal- bzw. idealgewichtig (Skalenwert 5) und unterschiedliche Stufen von übergewichtig (Skalenwerte 6–9) unterschieden.

Die Bemuskelung der Katze wird mit dem Muscle Condition Score (MCS) genauer betrachtet. Die vierstufige Einteilung unterscheidet zwischen normaler Bemuskelung und drei Stufen (mild, moderat, schwer) von Muskelschwund. Die Einteilung in eine Stufe erfolgt anhand der Betastung der Rückenmuskulatur entlang der Wirbelsäule, der Muskulatur an der Schulter und des Hinterkopfes sowie der Muskulatur des Beckenknochens. Ein Muskelschwund (Abbau der Muskulatur) kann in Zusammenhang mit einer Erkrankung wie der Chronischen Nierenerkrankung und/oder der Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion) stehen. Allerdings ist bei älteren Katzen ganz allgemein mit einer Abnahme der Muskulatur zu rechnen.

 

Bereits ein Gewichtsverlust von 5–10% wird als klinisch auffällig erachtet.
Bereits ein Gewichtsverlust von 5–10% wird als klinisch auffällig erachtet.

 

Ins Maul geschaut

Bei der Allgemeinuntersuchungen wird der Betrachtung der Maulhöhle eine wichtige Rolle zugesprochen. Hierbei können Hinweise auf das Vorliegen von FORL gefunden werden, denen dann mit einem Zahnröntgen nachgegangen werden kann. Zahnveränderungen wie auch Gewichtsverlust sind typische Risikofaktoren für die Entwicklung einer Chronischen Nierenerkrankung bei der Katze.

Kreatinin-Täuschung

Bei der Blutuntersuchung werden die Nierenparameter bestimmt. Dabei werden vor allem die Blutspiegel von Kreatinin, Harnstoff, Kalzium und Phosphor näher betrachtet. Da die Veränderung des Kreatinin-Blutspiegels ein erster wichtiger Hinweis auf das Vorliegen von CNE sein kann, muss hier eine Muskelveränderung ausgeschlossen werden. Kreatinin ist am Muskelstoffwechsel beteiligt und entsprechend erhöht, wenn Muskulatur abgebaut wird. Das kann altersbedingt sein, aber auch im Zusammenhang mit einer Hyperthyreose stehen. Dabei wird dann vermehrt Kreatinin aus dem Muskelabbau freigesetzt, so dass sich der Blutspiegel erhöht.

Anders ist es beim Vorliegen einer CNE. Hierbei kann das Kreatinin nicht ausreichend über die Nieren ausgeschieden werden, so dass höhere Blutspiegel anzutreffen sind, weil mehr Kreatinin im Blut verbleibt. Leider sind Kreatininwerte von vielen Faktoren abhängig, so dass der Normalbereich des Kreatinin-Blutspiegels sehr breit ist. Das macht es schwierig, eindeutige Hinweise auf das Vorliegen einer CNE zu bekommen. Bei regelmäßigen Blutkontrollen ist ein Anstieg des Kreatinin-Blutspiegels  auch innerhalb des Normalbereiches bereits ein erster Hinweis auf eine CNE. Hier kann zusätzlich ein SDMA-Test helfen, der spezifisch(er) für die eingeschränkte Nierenfunktion dann ansteigt.

 

Wenn das spezifische Gewicht des Urins sinkt, sinkt auch der „Wasserpegel“ im Körper

Die Labor Untersuchung von Urin umfasst die Bestimmung des spezifischen Gewichts, das beim Vorliegen einer CNE abnimmt. Der Urin wird bei der CNE weniger konzentriert, weil der Urin mehr Wasser enthält. Das können die geschädigten Nieren nicht mehr zurückhalten. Die CNE-Katze verliert damit wichtige Flüssigkeit über den Urin, was bei ihr zur Austrocknung (Dehydratation) führen kann und ein Risikofaktor für die Entwicklung der CNE darstellt. Daher verringert sich das spezifische Gewicht des Urins. Für das Vorliegen eines Proteinverlustes über den Urin (Urin-Protein) wird der sogenannte Urin-Kreatinin-Quotient (UPC) herangezogen. Ist er erhöht, spricht dies für das Vorliegen einer Proteinurie, die im Zusammenhang mit einer CNE auftritt.

 

Demenz – ein Thema bei geriatrischen Katzen

Bei älteren Katzen sind Verhaltensänderungen zu beobachten, die im Zusammenhang mit kognitiver Dysfunktion ( auch als Demenz bei Katzen bekannt) stehen. Diese Verhaltensänderungen können aber auch krankheitsbedingt mit Bluthochdruck (= Hypertonie) oder einer Überfunktion der Schilddrüse (= Hyperthyreose) in Zusammenhang gebracht werden. Beide letztgenannten Erkrankungen stehen wiederum in enger Beziehung zur CNE.

 

 

Quelle:

  • Greene, J. P. / Lefebvre, S.L. / Wang, M. / Yang, M. / Lund, E. M. / Polzin, D. J. (2014): Risk factors associated with the development of chronic kidney disease in cats evaluated at primary care veterinary hospitals. In: Journal of the American Veterinary Medical Association 244(3), S. 320–327.
  • Weingart, C. / Kohn, B. (2020): Gesundheitsvorsorge bei der geriatrischen Katze. Tagungsunterlagen DVG-Vet Congress 2020, Berlin, S. 53–56.

 

Gute Abbildungen zu den Scores finden sich unter: Body Condition & Muscle Condition Score Charts im Internet unter: https://vet.osu.edu/vmc/companion/our-services/nutrition-support-service/body-condition-muscle-condition-score-charts