FGF-23 und seine Rolle beim Phosphatstoffwechsel

Die Bedeutung von Phosphat in der Chronischen Nierenerkrankung der Katze (CNE) ist bekannt: aufgrund der verringerten Zahl an Nephronen, die die funktionalen Filtereinheiten der Nieren darstellen, kann nicht mehr genügend Phosphat in den Urin ausgeschieden werden. Damit steigt der Blut-Phosphat-Spiegel an, was zu einer Hyperphosphatämie und über die Aktivierung von Parathormon (PTH) zu einem Teufelskreis der weiteren Nierenzerstörung führt. Dieser Teufelskreis entsteht dadurch, dass Phosphat und Kalzium im Blut in einem fein abgestimmten Gleichgewicht stehen. Wenn sich die Phosphatkonzentration im Blut ändert, versucht der Körper dies zu regulieren über eine vermehrte Phosphatausscheidung, die über die Aktivierung von Parathormon (PTH) aus der Nebenniere gesteuert wird. PTH wird jedoch nicht durch einen Anstieg des Phosphates im Blut, sondern über die reduzierte Kalziumkonzentration im Blut aktiviert. Die Niere selbst bildet Calcitriol, die aktive Form des Vitamin D, welches zusammen mit PTH das Kalzium-Phosphatgleichgewicht kontrolliert. Die Calcitriol-Produktion ist bei der CNE allerdings deutlich reduziert, so dass es schwierig wird, dieses Gleichgewicht aufrechtzuerhalten.

PTH Ausschüttung außer Kontrolle

Calcitriol fördert die Aufnahme von Kalzium aus dem Darm und führt damit zu einem Anstieg des Blut-Kalziumspiegels. Bei reduzierter Calcitriol-Produktion verringert sich die Aufnahme von Kalzium aus dem Darm und damit der Blut-Kalziumspiegel, was wiederum die PTH-Ausschüttung aktiviert. PTH zielt dabei auf eine Erhöhung des Kalziumspiegels und Reduzierung des Phosphatspiegels ab. Die Calcitriol-Produktion wird von Parathormon unterstützt, während umgekehrt Calcitriol die PTH-Ausschüttung hemmt. Bei der CNE wird jedoch die Calcitriolproduktion verringert, da die Nieren nicht mehr in der Lage sind, ausreichend Calcitriol zu bilden. Dadurch fällt die Kontrolle der PTH-Ausschüttung weg und es wird bei der CNE dadurch vermehrt PTH aus den Nebenschilddrüsen freigesetzt. PTH führt zu einer Demineralisierung der Knochen: Kalzium wird aus dem Knochen freigesetzt, um eine Erhöhung des Kalzium-Spiegels zu erreichen. Gleichzeitig wird dabei allerdings auch Phosphat aus dem Knochen freigesetzt, was den Phosphat-Blut-Spiegel weiter ansteigen lässt, so dass noch mehr PTH ausgeschüttet wird. Dies kann im Spätstadium der CNE auf der einen Seite zu einer Knochen- und zum Teil auch Zahnerweichung führen.

Auf der anderen Seite wirkt sich die unkontrollierte PTH-Ausschüttung auch dahingehend aus, dass durch den Knochenabbau der Kalziumspiegel ansteigt und dann Organe verkalken können. Hierzu gehören neben Haut, Gefäße und Herz auch die Nieren selbst, so dass damit weitere Nephrone zerstört werden. Die Kontrolle des Phosphat-Blutspiegels ist daher lebensverlängernd für die chronisch nierenkranke Katze und ein wesentlicher Baustein der CNE-Therapie.

FGF-23 steuert bei

In den letzten 15 Jahren wurden weitere Mediatoren identifiziert, die am Phosphatstoffwechsel wesentlich beteiligt sind. Hierzu zählt der Fibroblasten-Wachstumsfaktor-23, der sogenannte Fibroblast-Growth-Factor, FGF-23, der in den Zellen der Knochenmatrix gebildet wird. FGF-23 aktiviert ebenso wie PTH die Ausscheidung von Phosphat. Stimuliert wird die Bildung und Freisetzung von FGF-23 durch den erhöhten Phosphatspiegel, aber auch durch einen erhöhten Calcitriol-Spiegel und durch PTH. FGF-23 ist am Phosphatgleichgewicht und auch Calcitriol-Steuerung beteiligt, indem es neben der Erhöhung der Phosphatausscheidung die Calcitriol-Produktion in den Nieren hemmt. Dazu benötigt es den Co-Faktor a-Klotho. In der Nebenschilddrüse blockiert FGF-23 die PTH-Produktion und -Freisetzung. Versuche an Mäusen haben gezeigt, dass ein Mangel an FGF-23 zu einer Hyperphosphatämie mit einer erhöhten Phosphat-Rückresorption, also Rückgewinnung von Phosphat in den Nieren einhergeht. Ebenso konnten bei diesen Mäusen eine erhöhte Calcitriol-Produktion und eine reduzierte PTH-Blutkonzentration gemessen werden. Die Gabe von gentechnologisch hergestelltem FGF-23 an Mäuse führte umgekehrt zu einer Hypophosphatämie, einem verringerten Phosphatgehalt im Blut und einer erhöhten Phosphatausscheidung über den Urin. Beide Versuche deuten darauf hin, dass FGF-23 eine wichtige Rolle am Phosphatstoffwechsel einnimmt.

Zudem kann FGF-23 auch als Marker für die Filtrationsleistung der Nieren (gemessen als sogenannte Glomeruläre Filtrationrate = GFR) angesehen werden, da es ansteigt, wenn die GFR sinkt, denn FGF-23 muss über die Nieren ausgeschieden werden. Das bedeutet, dass mit jedem der vier IRIS-Stadien (siehe Stadien) die FGF-23-Blutkonzentration ansteigt. Und ebenfalls haben Katzen mit einem sehr hohen Phosphatspiegel (Hyperphosphatämie) gegenüber Katzen mit normalem Phosphat-Spiegel innerhalb desselben IRIS-Stadium höhere FGF-23-Blutspiegel.

In der Humanmedizin korreliert der FGF-23-Blutspiegel direkt mit der Sterblichkeitsrate chronisch nierenkranker Patienten, was auch für Katzen mit CNE angenommen wird. Das bedeutet, dass die Höhe des FGF-23-Blutspiegels als Prognose dient. Dabei kann ein erhöhter FGF-23-Blutspiegel ein erster Hinweis auf eine CNE sein, noch bevor ein Anstieg von Harnstoff- und Kreatininkonzentrationen im Blut sichtbar ist. Auch kann der FGF-23 bereits vor dem Phosphat-Spiegel erhöht sein und damit bereits den Beginn einer Erkrankung und die notwendige Kontrolle des Phosphatspiegels anzeigen.

Interessant ist zudem der Zusammenhang zwischen urämischen Toxinen und FGF-23. Indoxylsulfat das wohl wichtigste und schädlichste urämische Toxin, welches ebenfalls über die Nieren ausgeschieden werden muss und deshalb im Blut ansteigt bei CNE, hat neben einer direkten Nierenschädigung und damit Unterstützung des Fortganges der Nierenzerstörung auch einen Einfluss auf den Phosphatstoffwechsel. Indem Indoxylsulfat die Bildung des Co-Faktors a-Klotho unterdrückt, der notwendig ist, damit FGF-23 aktiv wird, kann der Phosphatspiegel damit nicht durch FGF-23 reduziert werden.

Quellen:

  • Cheng, F. P. / Hsieh, M. J. / Chou, C. C. / Hsu, W.L. / Lee, Y. J. (2015): Detection of indoxyl sulfate levels in dogs and cats suffering from naturally occuring kidney diseases; In: The Veterianry Journal 205 (2015), S. 339 – 403.
  • Elliot, J. (2016): FGF-23: a new player in the regulation of phosphate (2015; reviewed 2016), IRIS International Renal Interest Society
  • Finch N.C. / Geddes, R.F. / Syme, H.M. / Elliot, J. (2013): Fibroblast Growth Factor (FGF-23) concentrations in cats with early nonazotemic chronic kidney disease (CKD) and in healthy geriatric cats; In: Journal of Vet. Internal Medicine (27), S. 227 – 233.
  • Geddes, R.F. / Finch, N.C. / Elliot, J. / Syme, H.M. (2013): Fibroblast Growth Factor 23 in Feline Chronic Kidney Disease; In: Journal of Vet. Internal Medicine (27), S. 234 – 241.