Hyperkalzämie – Aus dem Gleichgewicht

Die Nieren spielen eine zentrale Rolle an der Aufrechterhaltung des Kalzium- und Phosphat-Blutspiegels. Kalzium und Phosphat stehen dabei im Gleichgewicht. Bei der chronischen Nierenerkrankung (CNE) kann dieses Gleichgewicht empfindlich gestört sein. Dabei kommt es nicht nur zu einer Phosphatanreicherung im Blut (Hyperphosphatämie) (s. „Der Teufel steckt im „P““) durch den Rückstau nicht ausgeschiedener Phosphate. Auch eine Hyperkalzämie, also ein Kalziumüberschuss im Blut kann bei einer CNE auftreten.

 

Eine Hyperkalzämie wurde bei etwa 20% der CNE-Katzen beobachtet, die mit einer schweren Erkrankung, wie Weichteilverkalkungen (und damit auch Nierenverkalkungen), sowie Knochenstörungen verbunden war.

Die Nierenverkalkungen führen zu einer weiteren Verschlechterung der CNE weil dadurch weitere Nephrone zerstört werden.

Dabei muss unterschieden werden zwischen sogenanntem ionisiertem, also ungebundenem, Kalzium (etwa die Hälfte), proteingebundenem Kalzium (etwa die andere Hälfte) und komplexiertem Kalzium (der kleinste Anteil). Nur die ionisierte Hyperkalzämie wirkt sich wahrscheinlich auf die Gesundheit aus, da die ionisierte Kalziumfraktion biologisch aktiv ist.

Bei der CNE unterscheiden sich innerhalb der vier IRIS-Stadien die Gesamtblutwerte von Kalzium zwar nicht. Der ionisierte Anteil fällt jedoch mit zunehmendem Stadium ab. Dennoch entwickeln etwa 30% der CNE Katzen eine Hyperkalzämie basierend auf dem ionisierten Anteil.

Eine Hyperkalzämie kann die mit CNE verbundenen Symptome verschlimmern wie etwa Futterverweigerung, viel trinken (Polydipsie), viel urinieren (Polyurie) Muskelschwäche oder Verstopfung. Zudem wird die Nierenleistung gesenkt und es können Steinbildungen bei Hyperkalzämie auftreten.

Bei Menschen mit chronischer Nierenerkrankung war eine Hyperkalzämie mit einer erhöhten Sterblichkeitsrate verbunden. Dies wird nach den Autoren auf Gefäßverkalkungen zurückgeführt. Bei CNE-Katzen konnte dieser Zusammenhang bislang nicht gefunden werden.

 

 

Kalziumregulierung

Die Konzentration von ionisiertem Kalzium im Serum wird durch mehrere Hormone reguliert, vor allem Parathormon (PTH) und Calcitriol (aktives Vit. D).

Der Kalziumspiegel wird über ein Zusammenspiel dieser Hormone fein abgestimmt. Die beiden Hormone wirken unterschiedlich auf die Kalziumaufnahme im Darm, Abb- bzw. Aufbau von Kalzium im Knochen und über die Nierenausscheidung ein.

Kalzium ist überwiegend im Knochen vorhanden. Änderungen der Kalziumkonzentration im Blut können durch Speicherung (Aufbau von Knochen) oder Freisetzung (Abbau von Knochen) von Kalzium in bzw. aus den Knochen gepuffert werden.

PTH erhöht den Kalziumspiegel.  In den Nieren wird durch PTH die Rückgewinnung von Kalzium aus dem Primärharn (bei der CNE deutlich eingeschränkt) und v.a. in den Knochen der Abbau von Knochensubstanz gefördert. Aus dem Knochen wird Kalziumphosphat abgebaut, so dass Kalzium immer zusammen mit Phosphat erhöht wird. Der Phosphatblutspiegel wird aber durch die Förderung der Nierenausscheidung durch PTH reguliert. Dies findet allerdings bei der CNE nicht mehr statt, weil die Nierenleistung gesenkt ist. Auch Calcitriol, der Gegenspieler von PTH wird nicht mehr ausreichend gebildet, so dass PTH ungehemmt weiter zum Knochenabbau und zur Verkalkung der Niere beiträgt.

 

Teufelskreis der Hyperphosphatämie
Teufelskreis der Hyperphosphatämie

Calcitriol verhindert, dass im Gegensatz zum PTH zu hohe Konzentrationen an ionisiertem Kalzium im Blut auftreten. Wird durch die CNE zu wenig Calcitriol produziert, kann das möglicherweise zu einem erhöhten ionisierten Anteil von Kalzium in Form einer Hyperkalzämie führen.

 

Verursacht Nierendiät bei Katzen Hyperkalzämie?

Es wird diskutiert, ob Nierendiäten zur Entwicklung von Hyperkalzämie bei Katzen beitragen. Diese Diäten werden zur Behandlung von CNE bei Katzen empfohlen, weil sie protein- und phosphatreduziert sind. Das trägt zur Lebensverlängerung bei Katzen mit CNE bei. Der Autor berichtet, dass sich bei einigen Katzen relativ bald nach Beginn einer Nierendiät eine Hyperkalzämie entwickelte. Dies konnte an zwei Studien mit zusammen knapp 200 Katzen belegt werden. Nach dem Absetzen der Diät normalisierte sich der Kalziumblutspiegel wieder. Nierendiäten sind wie oben beschrieben vor allem protein- und phosphatreduziert, haben meist auch einen niedrigeren Natriumgehalt und einen höheren Kaliumgehalt sowie Puffersubstanzen. All diese Faktoren könnten den Kalziumblutspiegel negativ beeinflussen.

 

Ein niedriger Phosphatgehalt in der Nahrung oder ein höheres Kalzium-Phosphor-Verhältnis im Futter könnte möglicherweise zu einer höheren Aufnahme von Kalzium aus dem Darm führen.

Ein geringerer Proteingehalt der Nierendiät trägt möglicherweise zu einer Verringerung der Kalziumausscheidung in den Nieren bei. Wird weniger Kalzium ausgeschieden, erhöht das den Kalzium-Blutspiegel.

Kalium wird in Nierendiäten ergänzt und das kann die Kalziumausscheidung im Urin reduzieren. Auch das erhöht den Blutspiegel von Kalzium.

Natrium dagegen stimuliert die Kalziumausscheidung im Urin, wird aber in Nierendiäten reduziert. Die Einnahme von Puffersubstanzen kann eine erhöhte Kalziumaufnahme aus dem Darm stimulieren. Daher könnten die Inhaltsstoffe in Nierendiäten theoretisch alle zu einer erhöhten Kalziumkonzentration im Blut bei CNE-Katzen beitragen.

 

Wie wird der Kalziumstatus beurteilt?

Hyperkalzämie wird diagnostiziert, wenn der Blut-Kalziumspiegel die Obergrenze des Normalwertes überschreitet, was bei Katzen > 10,5 mg/dl liegt. Das biologisch aktive ionisiertes Kalzium ist bei Konzentration von > 5,6 mg/dl bei Katzen erhöht. Üblicherweise wird bei Blutkontrollen die Gesamtkalziumkonzentration gemessen. Sinnvoll wäre es, auch das biologisch aktive ionisierte Kalzium zu messen. Allerdings weisen fast alle Katzen mit einer Hyperkalzämie gleichzeitig auch eine ionisierte Hyperkalzämie auf.  Eine alleinige ionisierte Hyperkalzämie wird bei Katzen unterdiagnostiziert, gerade wenn das Gesamtkalzium im Normalbereich liegt. Bei CNE-Katzen mit normalem Gesamtkalzium-Spiegel macht es daher Sinn, auch den ionisierten Kalzium-Blutspiegel zu bestimmen.

 

Was tun, wenn eine Hyperkalzämie festgestellt wird?

Es muss abgeklärt werden, ob die Hyperkalzämie im Zusammenhang mit der CNE auftritt, was häufig der Fall ist. Hyperkalzämie kann aber auch andere Ursachen haben, gerade bei CNE-Katzen, die häufig viele Erkrankungen haben. So tritt die ionisierte Hyperkalzämie auch im Zusammenhang mit Tumoren auf. Hyperkalzämie kann bei Katzen auch ungeklärter Ursache sein oder als Folge von einigen Medikamenten auftreten.

Hier ist auch die Verwendung von Phosphatbindern auf Kalziumcarbonat-Basis zu nennen. Diese werden daher bei Menschen und Katzen in späteren Stadien der CNE nicht mehr empfohlen.

 

 

Quellen:

  • van den Broek, H. (2022): Hypercalcemia in chronic kidney disease (updated 2022); www.iris-kidney.com