Dysbiose – die Verwilderung des Mikrobengartens

Zusammenfassung

  • Die Zusammensetzung des Mikrobioms ist für jeden Wirt (egal ob Mensch oder Tier) einzigartig
  • Die durch das Mikrobiom produzierten „guten“ und „bösen“ Stoffe haben einen enormen Einfluss auf die Gesundheit von Katzen
  • Eine Dysbiose kann die Funktion des Mikrobioms einschränken und somit chronische Erkrankungen wie die CNE fördern
  • Der direkte Nachweis einer Dysbiose ist schwierig
  • Es gibt unterschiedlich effektive Wege, das Gleichgewicht der s.g. Darm-Nieren-Achse bei Katzen wiederherzustellen

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Das Mikrobiom oder auch Mikroflora genannt besteht aus den Mikroben (= Mikroorganismen), die auf der Haut, Schleimhäuten und im Darm leben. Das Darm-Mikrobiom wird auch intestinales Mikrobiom genannt. Die Besiedlung mit Darmmikroben nimmt dabei vom Magen über den Dünndarm bis zum Dickdarm zu.

 

Ein individuelles Ökosystem im Individuum

Das Darm-Mikrobiom ist ein eigenes Ökosystem im Wirtskörper, wobei der Wirt sowohl Mensch als auch Tier und somit auch die Katze sein kann. Zum Mikrobiom zählen neben den Darmbakterien auch Viren, Pilze (wie zum Beispiel Hefen) und Einzeller. Diese stellen gesamtheitlich das 10-fache an Zellen des Wirtes dar. Diese vorgenannten Mikroben leben in einem empfindlichen Gleichgewicht, das als Eubiose bezeichnet wird. Den überwiegenden Anteil dieses intestinalen Mikrobioms stellen Darmbakterien (Darmmikrobiota) dar. Die Zusammensetzung des Mikrobioms und damit auch seiner Darmbakterien eines Wirtes ist so individuell wie seine DNA. Die Individualität bezieht sich auf die Bakterienstämme. Hunde und Katzen haben grundsätzlich eine ähnliche Zusammensetzung in Bezug auf Bakteriengattungen. Dabei wechseln die Mikroorganismen nicht nur zwischen den Katzen hin und her, sondern auch zwischen Katze und ihrer Umwelt.

 

Gute Bakterien – böse Bakterien

Das Mikrobiom ist dabei ein Stoffwechselorgan, welches verschiedene Stoffe für seinen Wirt (wie die Katze) produziert, die einen wesentlichen Einfluss auf die Gesundheit der Katze haben. Zum einen werden von den Darmbakterien wichtige Nährstoffe wie etwa kurzkettige Fettsäuren (die beispielsweise gegen Entzündungen im Körper wirken) gebildet, die wichtig sind für den Wirt. Andererseits bilden Darmbakterien durch Proteinverdauung auch Indol, das die Vorstufe des Indoxylsulfates darstellt, welches als Nierengift (Urämietoxin) besonders die Nieren der Katze angreift und über verschiedene Teufelskreise die chronische Nierenerkrankung fördert (zum Beispiel Nephronenzerstörung, Hyperphosphatämie, Proteinurie, Anämie). Daher wird Indoxylsulfat auch der Darm-Nieren-Achse zugerechnet. Insgesamt hat das Mikrobiom vielfältige Aufgaben für den Wirt und seine Gesundheit und ist beispielsweise auch an seinem Immunsystem, dem Schleimhautschutz und der Versorgung der Schleimhaut positiv beteiligt.

 

Störung des Bakterien-Gleichgewichtes

Das Mikrobiom erstreckt sich sowohl auf den Dünn- als auch auf den Dickdarm. Verliert das Mikrobiom an Vielfalt seiner Darmbakterien oder kommt es zu einer anderen Abweichung der Zusammensetzung, so wird dies als Dysbiose bezeichnet. Diese kann dann sowohl den Dünndarm, den Dickdarm, als auch den gesamten Magen- und Darmtrakt betreffen. Typisch für Dysbiosen ist dabei die eingeschränkte Funktion des Mikrobioms, so dass viele der positiven Auswirkungen für den Wirt zurückgehen. Das kann negative Folgen für die Gesundheit des Wirtes haben.

 

Dysbiose bei CNE

Bei Hunden und Katzen mit Magen-Darm-Erkrankungen konnten solche Dysbiosen in akuten wie in chronischen Fällen nachgewiesen werden. Neue Studien von Summers et al. (2018) zeigen, dass Dysbiosen auch im Zusammenhang mit der chronischen Nierenerkrankung bei Hunden und Katzen auftreten. Der Nachweis einer Dysbiose ist schwierig, da viele Darmbakterien nicht im Kot gefunden werden können.

 

Nachweis einer Dysbiose

Daher werden nicht die Bakterien, sondern ihre Stoffwechsel-Produkte im Blut untersucht. Hier eignen sich beispielsweise Cobalamin und Folsäure als Indikatoren für das Vorliegen einer Dysbiose bei Hunden und Katzen. Der Cobalamin-Blutspiegel wäre bei einer Dysbiose erniedrigt, da bei einer Dysbiose solche Bakterien auftreten, die Cobalamin verbrauchen. Das hat zur Folge, dass nur ein geringerer Anteil an Cobalamin ins Blut gelangt, als dies bei gesunder Darmflora der Fall wäre. Anzeichen für eine Dysbiose gibt auch ein erhöhter Folsäure-Blutspiegel, da im gesunden Mikrobiom üblicherweise nur wenig Folsäure-bildende Darmbakterien anzutreffen sind.

 

Dysbiose – „Bakterien-Unkraut“ überwuchert

Dysbiosen können durch unterschiedliche Faktoren entstehen. Magen-Darm-Erkrankungen können dabei sowohl Ursache als auch Folge einer Dysbiose sein. Bei chronischen Nierenerkrankungen fördert Indoxylsulfat das Auftreten von Dysbiosen und deren negativen Folgen für die Katze. Dysbiosen können das Wachstum solcher Bakterien begünstigen, die zu schädlichen Giftstoffen wie den Nierengiften (Indoxylsulfat) oder auch zu Entzündungsmediatoren führen. Gleichzeitig geht die Zurückdrängung der gesunden und wünschenswerten Darmbakterien durch die Zunahme der schädlichen Bakterien mit einem Verlust von wichtigen (Nähr-)Stoffen für die Katze einher. Hierzu gehören auch die kurzkettigen Fettsäuren, die anti-entzündlich wirken.

Dysbiose schädigt das Immunsystem

Damit kann eine Dysbiose auf zwei Arten das Immunsystem der Katze schädigen: Zum einen fehlen kurzkettige Fettsäuren, weil gutartige Bakterien verdrängt werden, die diese bilden. Gutartige Bakterien unterstützen zudem die Bildung von Abwehrzellen. Wenn solche Bakterien verdrängt werden, wird die Katze anfälliger für Infektionen. Zum anderen wird das Wachstum solcher Bakterien gefördert, die beispielsweise auch Entzündungsmediatoren bilden und damit Entzündungen im Katzenkörper fördern.

 

Mikroben lieben Synbiotika

Ein gesundes Darmmikrobiom ist für die Katzengesundheit daher wichtig, seine Zusammensetzung und Vielfalt an Darmbakterien schützenswert. Bekannt in diesem Zusammenhang sind sogenannte Pro- oder Prebiotika. Letztere sind solche Nahrungsbestandteile, die der Wirt zwar nicht verdauen kann, die gutartigen Bakterien aber schon, so dass ihr Wachstum gefördert wird. Dazu zählen vor allem pflanzliche Kohlenhydrate (z.B. Cellulose, Pektin, Inulin). Probiotika sind dagegen Mikroorganismen, die der Wirt oral aufnimmt und die sich im Wirt ansiedeln. Probiotika verändern das Mikrobiom allerdings nicht grundlegend und ihre Überlebenszeit im Darm des Wirtes ist sehr kurz. Daher müssen sie in ausreichend großen Mengen und sehr häufig gegeben werden, damit der Wirt von ihrer positiven Wirkung wie beispielsweise auf sein Immunsystem profitieren kann. Präparate, die sowohl Pre- als auch Probiotika enthalten, werden Synbiotika genannt.

 

CNE-Dysbiose im Darm stoppen

Dysbiosen können neben der Gabe von Antibiotika auch durch einen erhöhten Indoxylsulfat-Spiegel im Blut, wie er bei chronisch nierenkranken Katzen auftritt, entstehen (s. Beitrag Urämische Toxine). Als Folge wird das Wachstum solcher Bakterien begünstigt, die die Vorstufen dieses Nierengiftes, das Indol, bilden. Die Folge ist ein zunehmend erhöhter Indoxylsulfat-Blutspiegel. Ein Teufelskreis beginnt. Dieses Nierengift kann mittlerweile bereits im Darm als Vorstufe Indol abgefangen werden, so dass dadurch der Indoxylsulfat-Blutspiegel sinkt. Dafür wurde ein spezieller Binder aus reinen Kohlenstoff-Kügelchen (Renaltec) entwickelt, der diese Vorstufen im Darm abfängt und dann mit dem Kot ausscheidet. Das von den Darmbakterien gebildete Indol wird in den Renaltec-Kugeln gefangen. Damit sinkt der Blutspiegel des Indoxylsulfates, so dass die Auswirkungen dieses Nierengiftes eingeschränkt werden können, ohne dass die Katze anderes Futter bekommen muss.

 

Bislang haben sich in der Therapie der Dysbiosen noch keine Standardmethoden bei Hunden und Katzen durchsetzen können. Beim Menschen werden beispielsweise Kottransplantationen eingesetzt. Dabei nimmt der Patient mit getrocknetem Kot gefüllte Kapseln auf. In der Tiermedizin zeigen einige Ansätze bei Hunde-Welpen vielversprechende Ergebnisse.

Lies hier noch mal den Blog-Beitrag „Der Darm hat nicht nur Charme“.

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Quellen:

  • Chutkan, R. (2017): Das Mikrobiom – Heilung für den Darm. Unimedica im Narayana Verlag, Kandern.
  • Summers, St. / Quimby, J. M. / Isaiah, A. / Suchodolski, J. S. / Lunghofer, P. J. & Gustafson, D. L. (2018): The fecal microbiome and serum concentrations of indoxyl sulfate and p-cresol sulfate in cats with chronic kidney disease. In: Journal of Veterinary Internal Medicine, 1–8.
  • Unterer, St. (2019): Therapeutische Ansätze zur Beeinflussung des intestinalen Mikrobioms: Antibiotika, Probiotika, Kottransplantation. Welcher Ansatz bei welchen Patienten? In: Proceedings bpt-Kongress, Oktober 2019, München.
  • Yong, E. (2018) Winzige Gefährten – Wie Mikroben uns eine umfassendere Sicht vom Leben ermitteln. Kunstmann Verlag, München.