Weniger ist mehr – Indoxylsulfat und die Darm-Nieren-Achse

Zusammenfassung

  • Das urämische Toxin Indoxylsulfat war ein großes Thema bei dem 10. Leipziger Tierärztekongress 2020
  • Indoxylsulfat begünstigt die mit CNE einhergehende Anämie und hat negative Auswirkungen für die natürliche Darmflora
  • Die Verringerung des Indoxylsulfates bedeutet für die alternden Nieren eine Reduktion ihrer Ausscheidungslast
  • Die Reduktion des Indoxylsulfat-Blutspiegels hat sich bei nierenkranken Patienten als sehr wirksam und lebensverlängernd erwiesen

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Auf dem 10. Leipziger Tierärztetag Mitte Januar 2020 waren die urämischen Toxine ein bedeutendes Thema: Es gab dort einen Vortrag über die chronische Nierenerkrankung bei der Katze und das urämische Toxin Indoxylsulfat.

Durch den natürlichen mikrobiellen Abbau von Proteinen und insbesondere von Aminosäuren im Darm werden die Vorstufen urämischer Toxine (hier v.a. Indol) gebildet. Urämische Toxine sind natürlich vorkommende Nierengifte, die der Körper selbst herstellt, die aber, solange sie über die Nieren ausgeschieden werden, dem Körper keinen Schaden zufügen. Erst wenn die Nieren ihre Fähigkeit zur Ausscheidung von Giftstoffen und anderen Abbauprodukten verlieren, reichern sich die urämischen Toxine und hier insbesondere Indoxylsulfat im Körper an. Die Anreicherung von Indoxylsulfat im Katzenkörper führt zu erheblichen Schadwirkungen, die das Fortschreiten (= Progression) der chronischen Nierenerkrankung fördern und für Symptome bei der CNE verantwortlich sind.

Indoxylsulfat – das natürliche Nierengift

Zur Entstehung von Indoxylsulfat: Es gibt spezielle Mikroben im Dickdarm, die auf die Verdauung der Aminosäure Tryptophan spezialisiert sind und dieses zu Indol abbauen. Tryptophan kommt in sehr vielen Fleischsorten und nicht nur in fleischloser Kost vor, so dass gerade der obligate Fleischfresser Katze sehr viel Tryptophan aufnimmt. Die Indol-bildenden Bakterien sind Teil der gesunden Darmflora der Katze und daher ebenfalls natürlicherweise vorhanden. Indol wird vom Darm in das Blut aufgenommen und dort zur Leber transportiert, wo es in das eigentliche aktive Endprodukt, dem urämischen Toxin Indoxylsulfat, umgebaut wird. Das bedeutet, aus jedem Indol entsteht ein Indoxylsulfat.

Lies hier nochmal den Blog-Beitrag „Dysbiose – die Verwilderung des Mikrobengartens“

Indoxylsulfat gelangt von der Leber über das Blut zu den Nieren und wird dort über den Urin ausgeschieden. Daher kommt Indoxylsulfat natürlicherweise im Katzenkörper vor, verweilt dort aber nicht im Blut, sondern wird von den Nieren aktiv über den Urin aus dem Katzenkörper entfernt, bevor es zu Schadwirkungen kommen kann.

 

Die alternde Nieren können Indoxylsulfat nicht mehr ausreichend ausscheiden

Mit zunehmendem Alter verlieren die Nieren ihre Fähigkeit zur Ausscheidung von Giftstoffen wie Indoxylsulfat. Es werden auf der anderen Seite aber weiterhin Indol und daraus Indoxylsulfat gebildet, weil die Katze weiterhin Proteine und auch Tryptophan zu sich nehmen muss. Hier setzen Nierendiäten an, indem sie den Gehalt an Proteinen reduzieren und damit der Entstehung urämischer Toxine vorbeugen. Allerdings ist die Proteinreduktion im Futter gerade bei dem obligaten Fleischfresser Katze nur zu einem gewissen Maße sinnvoll: Proteine sind für Katzen die Hauptenergiequelle und Tryptophan ist eine essenzielle Aminosäure für die Katze und darf daher nicht in ihrem Futter fehlen.

Durch die reduzierte Filtrationsleistung der alternden Nieren verlässt Indoxylsulfat den Katzenkörper nicht mehr unmittelbar über den Urin, weil die Nieren dies nicht mehr leisten können. Damit verbleibt Inodoxylsulfat im Katzenkörper und reichert sich zunächst im Blut, dann in den Organen und Geweben an. Mit dem Anstieg des Indoxylsulfat-Blutspiegels kommt es zu erheblichen Schadwirkungen im Katzenkörper. Der Zusammenhang zwischen Darmflora und der chronischen Nierenerkrankung wird als Darm-Nieren-Achse bezeichnet.

 

Die Darm-Nieren-Achse: Indoxylsulfat schädigt die Nieren

Indoxylsulfat wirkt sich auf auf den gesamten Organismus aus: Über die Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems kommt es zu Bluthochdruck (systemischen Hypertension). Der Bluthochdruck fördert ebenso wie die durch Indoxylsulfat verursachte Schädigung der Nephrone (= Filtereinheiten der Nieren) das Fortschreiten der CNE. Dabei werden durch Indoxylsulfatanreicherung in den Nierenzellen Entzündungsreaktionen im Nierengewebe ausgelöst. Die Entzündungsreaktionen treiben den bindegewebigen Umbau der Nieren voran, der charakteristisch ist für die chronische Nierenerkrankung. Das Fortschreiten der CNE wird weiterhin durch die von Indoxylsulfat unterstützte Freisetzung von Phosphat aus dem Knochen und die durch Indoxylsulfat geförderte Resistenz gegenüber Parathormon beschleunigt. Indoxylsulfat begünstigt die mit CNE einhergehende Anämie und hat negative Auswirkungen für die natürliche Darmflora.

Die Veränderung der Darmflora (= Dysbiose) wird bei der CNE durch Indoxylsulfat gefördert: Es vermehren sich unter dem Einfluss von Indoxylsulfat vor allem jene Bakterien, die vorwiegend stickstoffhaltige Futterbestandteile abbauen und damit zu einer Anreicherung der Vorstufen urämischer Toxine führen. Gleichzeitig führt die Dysbiose im Darm dazu, dass nicht nur vermehrt Indol gebildet, sondern durch die Schädigung der natürlichen Darmbarriere auch mehr Toxine aufgenommen werden können. Nierenkranke Katzen leiden häufig an Fressunlust, Erbrechen, Durchfall oder auch Verstopfung, die mit der vorgenannten Dysbiose und den Auswirkungen von Indoxylsulfat im Zusammenhang stehen.

 

Indoxylsulfat: weniger ist mehr für die Nieren

Die hochselektive Bindung der urämischen Vorstufen im Darm wird bei Katzen durch den speziell dazu entwickelten Adsorber Renaltec® vorgestellt: Die Aufnahme (Adsorption) der Vorstufen urämischer Toxine in die Renaltec®-Kügelchen durchbricht die Darm-Nieren-Achse und führt Indol über den Darm ab. So dass daraus kein Indoxylsulfat mehr gebildet werden kann. Es entstehen somit weniger urämische Toxine im Katzenkörper mit der Konsequenz, dass die Nieren weniger Indoxylsulfat ausscheiden müssen. Diese Verringerung des Indoxylsulfates bedeutet für die alternden Nieren eine Reduktion ihrer Ausscheidungslast. Die Nieren müssen damit insgesamt weniger Produkte ausscheiden, so dass die verbleibenden Abbauprodukte (Harnstoff, Kreatinin, Phosphat etc.) eine höhere Chance haben, ausgeschieden zu werden,was zu einer Reduktion ihrer Blutspiegel führt. Zusätzlich kommt es durch die Abführung der Vorstufen urämischer Toxine auch zu einer Verringerung des Blutspiegels an Indoxylsulfat, was bereits seit Jahren in der Humanmedizin mit einem dem Renaltec® vergleichbaren Adsorber nachgewiesen wurde.

 

Vielversprechende neue Ansätze zur Verlangsamung der CNE

Die Reduktion des Indoxylsulfat-Blutspiegels hat sich bei nierenkranken Patienten als sehr wirksam und lebensverlängernd erwiesen. Auch bei Katzen zeigt die Reduktion von Indoxylsulfat durch Renaltec® (Produktname: Porus® One) eine vielversprechende Verbesserung des klinischen Befindens bzw. der Lebensqualität der Katzen. Es wurde berichtet, dass berechtigte Hoffnungen bestehen, dass Renaltec® das Fortschreiten der chronischen Nierenerkrankungen bei der Katze und auch beim Hund verlangsamen kann.

Indoxylsulfat kann nach neueren Studien als ein interessanter Biomarker für das Fortschreiten der Nierenerkrankung bei der Katze angesehen werden.

 

Lies hier noch mal den Blog-Beitrag „Der Darm hat nicht nur Charme“.

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Quellen:

  • Dahlem, D. (2020): „Chronische Nierenerkrankungen der Katze: „Urämietoxin“ Indoxysulfat – zu viel ist zu viel, nicht nur für die Nieren“, 17.1.2020, Leipziger Tierärztekongress Proceedings.
  • (2020): „Indoxylsulfat und die Darm-Nieren-Achse – Der selektive Adsorber Porus® One durchbricht den Circulus vitiosus“. In: Kompakt VetMed, 1/2020, S. 21
  • Summers, St.;Quimby, J. M.; Philipps, R. K.; Stockman, J.; Isaiah, A.; Lidbury, J. A.; Steiner, J. M & Suchodolski, J. (2019): “Preliminary evaluation of fecal fatty acid concentrations in cats with chronic kidney disease and correlation with indoxyl sulfate and p-cresol sulfate”; In: J. Vet. Intern. Med., Sept. 2019, S. 1–10.