Lehren aus der Humanmedi ziehen

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Die Humanmedizin zeigt umfangreiche Studien zum Thema chronische Nierenerkrankungen bei Menschen. Es wird angenommen, dass etwa 10% der Menschheit von der CKD (chronic kidney disease = chronische Nierenerkrankung) betroffen sind. Die vergleichbare Zahl bei Katzen mit CNE (chronischer Nierenerkrankung) liegt zwischen 2 – 4% bezogen auf alle Katzen (Katzenpopulation). Bei älteren Katzen liegen die Zahlen deutlich höher: bei jeder dritten Katze über 15 Jahre ist mit einer CNE zu rechnen. Die Zahl der CKD-Betroffenen liegt damit bei Menschen im Durchschnitt höher als bei den Katzen. Dies wird vor allem mit ungesunden Essverhalten in Zusammenhang gebracht (z.B. Diabetes).

 

Jede dritte Katte über 10 Jahren ist von CNE betroffen

 

Zusammenfassung

  • In der Humanmedizin wird urämischen Toxinen die Ursache für die hohe Sterblichkeit von chronisch nierenkranken Patienten zugeschrieben
  • Dialyse (Blutwäsche) ist nicht für alle Abfallprodukte geeignet
  • Die Reduktion det Nierengifte ist daher in der Humanmedizin ein breites Forschungsthema

 

Zugrunde liegende Mechanismen der CNE

Sind jedoch die Nieren erst einmal erkrankt, sind die zugrunde liegenden Mechanismen sehr ähnlich: In beiden Fällen sinkt die Zahl funktionsfähiger Filtereinheiten (= Funktionseinheiten = Nephrone), da diese unwiederbringlich zugrunde gehen. Diese Nephrone sind sozusagen die Kraftwerke der Nieren. In ihnen werden Abfallprodukte aus dem Blut ausgefiltert, Giftstoffe aktiv ausgeschieden, Hormone für die Blutbildung und den Kalzium- und Phosphathaushalt gebildet, der Wasser- und Elektrolythaushalt des Körpers in sehr engen Grenzen gehalten und der Blutdruck kontrolliert.

Das Wesen der CNE bzw. CKD ist gerade, dass die Anzahl an funktionsfähigen Nephronen soweit sinkt, dass die Nieren all ihre vorgenannten Aufgaben nicht mehr erfüllen können. Hinzu kommt, dass durch den Nephronen- und damit den Funktionsverlust der Nieren unterschiedliche Teufelskreise angestoßen werden, die zu weiterer Nephronenzerstörung führen. Heilbar ist die CKD bzw. CNE nicht, weil diese Teufelskreise nicht zu stoppen sind. Verlorene Nephrone können nicht heilen und neue werden nicht gebildet. Die Anzahl an Nephronen sinkt damit fortschreitend. Mit dem Ausfall von Nephronen sinkt wiederum die Nierenleistung kontinuierlich, was die Teufelskreise weiter anheizt. Bei der Behandlung der CKD bzw. CNE geht es darum, den fortschreitenden Prozess der Nephronenzerstörung zu verlangsamen und dadurch die Lebenserwartung und auch die Lebensqualität zu verbessern.

 

Rückstau im System

Bei betroffenen Menschen und Tieren besteht das Problem, dass die kranken Nieren nicht mehr in der Lage sind, alle entstehenden Abfallprodukte auszuscheiden. Es gibt einen Rückstau von harnpflichtigen Stoffen im Blut. Hier hilft die Blutwäsche (Dialyse), das Blut von solchen Stoffen zu reinigen. Das gelingt allerdings nicht mit allen harnpflichtigen Substanzen. Gerade die urämischen Toxine, das sind giftige Abfallprodukte des Proteinstoffwechsels, sind durch ihre Ladung nicht „auswaschbar“ und verbleiben im Blut. Das ist in der Humanmedizin und Tiermedizin, in der die Dialyse eher selten Anwendung findet, ein vergleichbares Problem.

 

Urämische Toxine im Fadenkreuz der Sterblichkeit

In der Humanmedizin wird diesen urämischen Toxinen und hier v.a. Indoxylsulfat die Ursache für die hohe Sterblichkeit von chronisch nierenkranken Patienten zugeschrieben. Daher werden urämische Toxine auch als Nierengift bezeichnet. Auch in der Katzenmedizin rückt dieses urämische Toxin mehr und mehr in den Fokus im Rahmen der CNE. Dies wird damit begründet, dass Indoxylsulfat an einer Vielzahl von Prozessen beteiligt ist, die nicht nur die Nieren selbst angreifen, sondern auch andere Organe betreffen. Unter anderem führt Indoxylsulfat, wenn es sich im Blut anreichert, zu kleinen Entzündungsherden in den Funktionseinheiten der Nieren. Hier kommt es zu einem bindegewebigen Umbau dieser Filtereinheiten mit der Folge, dass diese ihre Aufgaben (s. oben ) nicht aufrechterhalten können und zugrunde gehen. Damit wird das Fortschreiten der chronischen Nierenerkrankung weiter unterstützt.

 

Indoxylsulfat auf Achse

Sinkt die Filtrationsleistung der Nieren, verbleibt mehr Indoxylsulfat im Blut, so dass der Blutspiegel an Indoxylsulfat ansteigt. Gleichzeitig gelangt dadurch mehr Indoxylsulfat in die Organgewebe, wo es seine toxische Wirkung entfalten kann. Damit gehen mehr und mehr Nephrone verloren und der Teufelskreis der fortschreitenden Nierenzerstörung wird weiter unterstützt. Das erklärt, warum Indoxylsulfat zur sogenannten Darm-Nieren-Achse gehört. Die Darm-Nieren-Achse beschreibt den Zusammenhang zwischen natürlicherweise entstehenden Stoffwechselprodukten im Darm (durch Aufschluss von Proteinen durch die natürlichen Darmbakterien) und ihre schädlichen Auswirkungen auf die Nieren. Daneben gibt es noch die Darm-Hirn-Achse und die Darm-Herz-Achse, die jeweils die negativen Auswirkungen von Indoxylsulfat auf die Leistungsfähigkeit des Gehirns und die Herzfunktion verdeutlichen.

 

In der Humanmedizin wird urämischen Toxinen die Ursache für die hohe Sterblichkeit von chronisch nierenkranken Patienten zugeschrieben
In der Humanmedizin wird urämischen Toxinen die Ursache für die hohe Sterblichkeit von chronisch nierenkranken Patienten zugeschrieben

 

Das Nierengift greift um sich

Indoxylsulfat entsteht aus dem natürlichen Proteinstoffwechsel. Aus der für die Katze essentiellen Aminosäure Tryptophan (in vielen Fleischsorten enthalten) bilden die Darmbakterien der natürlichen Darmflora im Dickdarm die Vorstufe Indol. Dieses Indol gelangt über den Blutweg vom Darm zur Leber. In der Leber wird Indol dann zu dem eigentlichen urämischen Toxin Indoxylsulfat umgebaut. Indoxylsulfat wiederum gelangt über den Blutweg zu den Nieren, wo es in den Harn ausgeschieden wird. Die Ausscheidung in den Nieren geschieht nicht über Filtration, also dem passiven Ausfiltrieren aus dem Blut, sondern aktiv im oberen Bereich des langen Röhrensystems (proximaler Tubulus). Daher kann dieser aktive Ausscheidungsprozess nur von gesunden Nephronen vollzogen werden.

Gleichzeitig führt Indoxylsulfat dazu, dass im Darm vermehrt solche Bakterien entstehen, die aus Tryptophan Indol bilden. Dies führt nicht nur zu einem Ungleichgewicht der Darmbakterien (sogenannte Dysbiose), sondern erhöht auch den Indoxylsulfat-Blutspiegel. Indoxylsulfat findet sich zudem im Gehirn, wo es zu kognitiven Einschränkungen bei CKD führen kann (Darm-Hirn-Achse). Anämie, Bluthochdruck, Diabetes und Immunschwäche sowie ein erhöhter Phosphat-Blutspiegel (Hyperphosphatämie)* können mit einem erhöhten Indoxylsulfat-Blutspiegel in ursächlichen Zusammenhang gebracht werden. Urämische Toxine und hier insbesondere Indoxylsulfat werden für die klinischen Symptome bei der chronischen Nierenerkrankung beim Menschen angesehen und auch bei Katzen in neuen Veröffentlichungen diskutiert. Bei Menschen und auch bei Katzen und Hunden konnte in Studien ein Zusammenhang zwischen den IRIS-Stadien und dem Indoxylsulfat-Blutspiegel hergestellt werden: Je höher der Indoxylsulfat-Blutspiegel, desto schwerwiegender das CKD- bzw. CNE-Stadium.

 

Humanmedizin – einen Schritt voraus?

Nicht nur die Lebensqualität chronisch Nierenkranker leidet unter dem Einfluss von Indoxylsulfat. Beim Menschen erhöht sich mit steigendem Indoxylsulfat-Blutspiegel auch die Sterblichkeit. Die Reduktion des Nierengiftes ist daher in der Humanmedizin ein breites Forschungsthema. Während in der Tiermedizin über Jahrzehnte die Proteinreduktion im Futter (Nierendiäten) dem Anstieg urämischer Toxine bei CNE-kranken Katzen und Hunden entgegnet wurde, ist in der Humanmedizin die Forschung bereits weiter. Hier wird nach Ansätzen geforscht, bereits das im Darm gebildete Indol zu reduzieren. Der Entstehung von Indoxylsulfat wird damit vorweg gegriffen. Dadurch wird eine Reduktion des Indoxylsulfat-Blutspiegels erzielt. Mit positiven Folgen für die Nierenkranken: In Studien konnten eine Reduktion klinischer Symptome und dadurch eine Erhöhung ihrer Lebensqualität, sowie Lebensverlängerung gezeigt werden.

 

Orale Adsorber – Eine runde Sache

Hierfür eignen sich sogenannte OSCA (oral spherical carbon adsorber), das sind oral zu verabreichende Kohlenstoff-Kügelchen, die als Hochleistungsadsorber Indol binden können.

Indol lagert sich an die innere Oberfläche der Kugeln an. Die Kugeln sind innen hohl und mit einem weiten Röhrensystem ausgestattet. Die Röhren enden außen in s.g. Mikroporen, deren Durchmesser sehr klein ist. Urämische Toxine sind kleinste Moleküle. Größere Substanzen (z.B. Vitamine) oder aber auch Zellen können diese Poren nicht passieren. Gebunden werden die urämischen Vorstufen dann physikalisch an der Oberfläche des Röhrensystems. Das funktioniert, da die Vorstufen der urämischen Toxine geladen sind. OSCA sind demnach hochspezifisch auf urämische Vorstufen und selektieren nur diese heraus.

In einer neuen Studie über 8 Wochen Behandlung mit OSCA zeigten sich bei nierenkranken Patienten mit einem hohen Grad der CKD, also einem späten Stadium, nicht nur insgesamt höhere Indoxylsulfatwerte (s.o.), sondern auch die stärkste Reduktion des Indoxylsulfat-Blutspiegels.

 

Transfer von der Humanmedizin zur Tiermedizin

Für Katzen gibt es ebenfalls einen oral zu verabreichenden, kugelförmigen Kohlenstoff-Adsorber (= OSCA). Der Wirkstoff heißt Renaltec®. Dieses Produkt ist laut Hersteller spezifisch für die Tiermedizin hergestellt worden. In Studien an Seniorkatzen mit erhöhten Indoxylsulfat-Blutspiegeln konnte mit dem tiermedizinischen OSCA ebenfalls nach 8 Wochen eine deutliche Reduktion des Blutspiegels erreicht werden. In diesem Punkt gleichen sich die Studien der Tiermedizin mit denen der Humanmedizin. Allerdings ist die Reduktion des tiermedizinischen Produktes doppelt so hoch wie des humanmedizinischen OSCA’s.

Je höher die Reduktion des Indoxylsulfat-Blutspiegels, desto besser für die Nierenkranken.

 

Quelle:

  • Kim, Sh., Jhee, J.H., Choi, H.Y. et al. (2020): New oral spherical carbon adsorbent effectively reduces serum indoxyl sulfate levels in moderate to advanced chronic kidney disease patients: a multicenter, prospective, open-label study. BMC Nephrology, 21, Artikel-Nummer: 317.
  • https://porus.one/

 

*Der Parathormon-Blutspiegel steigt mit steigendem Indoxylsulfat-Blutspiegel. Parathormon (PTH) ist gefürchtet bei CNE, da es die Ursache der Hyperphosphatämie ist und ein Teufelskreis der weiteren Nierenzerstörung in Gang setzt. Mehr dazu findest Du auch in meinem Blog-Beitrag “Der Teufel steckt im P“.

Zu meinem Blog-Beitrag "Der Teufel steckt im P"
Blog-Beitrag “Der Teufel steckt im P”