Das Mikrobiom als Herzensbrecher

Darmmikrobiota im Fokus

Veränderungen der Darmbakterien (= Darmmikrobiota) werden mit zahlreichen Erkrankungen in Verbindung gebracht. Die Identifizierung von mikrobiellen Stoffwechselwegen, die für die Produktion von Vorläufern urämischer Toxine verantwortlich sind, die sich nachteilig auf den Wirt auswirken, ist ein wichtiger erster Schritt bei der Entwicklung möglicher therapeutischer Maßnahmen.

Vertreter der Darmmikrobiota sind in der Lage, aus den  essentiellen Aminosäuren Tryptophan bzw. Tyrosin Indol bzw. p-Kresol zu bilden, die als Vorläufer der urämischen Toxine Indoxylsulfat bzw. p-Kresylsulfat dienen. Beide urämischen Toxine sind nicht nur nierenschädigend (siehe Blog-Beitrag Nierenfeind Nr. 1), sondern tragen auch zur Thrombosegefahr und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei.

Neue Studien weisen darauf hin, dass die Stoffwechselendprodukte von Darmbakterien, die durch den Aufschluss von essentiellen Aminosäuren entstehen, die Herz-Kreislauf-Gesundheit negativ beeinflussen können. Da diese Erkrankungen im Humanbereich die führende Todesursache darstellen, ist das Wissen um diese Stoffwechselprodukte und die mögliche Beeinflussung ihrer Bildung ein neuer Ansatz in der Herzgesundheit.

Die Rolle von urämischen Toxinen in der Herz-Kreislauf-Gesundheit

Die urämischen Toxine Indoxylsulfat und p-Kresylsulfat stehen schon lange im Verdacht, bei Patienten mit Nierenerkrankungen gesundheitsschädliche Wirkungen zu vermitteln. Diese beiden Urämietoxine besitzen entzündungsfördernde Eigenschaften und können auch zu Gefäßerkrankungen beitragen, die neben der Thrombosegefahr auch mit dem Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei nierenkranken Patienten in Zusammenhang gebracht werden. So stehen erhöhte Konzentrationen von Indoxylsulfat und p-Kresylsulfat bei nierenkranken Patienten mit einem höheren Sterberisiko in Verbindung. Allerdings tritt dieses erhöhte Sterberisiko in Zusammenhang mit erhöhten Blut-Spiegeln an Indoxylsulfat und p-Kresylsulfat auch auf, wenn kein Nierenleiden oder kein Herz-Kreislauf-Risiken vorliegen. Beide erhöhen unabhängig voneinander, das heißt jedes Urämietoxin für sich, das Sterberisiko.

Daher ist interessant, inwieweit die Vorläufer Indol bzw. p-Kresol aus den Darmbakterien gebildet werden und ob diese Produktion beeinflussbar ist.

Mikrobielle Synergien

Eine Studie von Nemet und Kollegen (2023) zeigte, dass für die Entwicklung der Vorstufen (Indol, p-Kresol) der o.g. Urämietoxine auch eine Verbindung zwischen mikrobiellen Stoffwechselwegen und dem Wirt eine Rolle spielen kann. Sie fanden heraus, dass die Bildung von p-Kresol aus der Aminosäure Tyrosin eine Zusammenarbeit (zweier) unterschiedlicher Darmbakterien darstellt. Dabei bildet die erste Bakterienart ein Stoffwechselendprodukt aus Tyrosin, dass die zweite Bakterienart dann in p-Kresol umwandelt. Die Forscher verwendeten bei ihren Studien nur zwei Bakterienarten, die für die Umwandlung in p-Kresol spezifische Enzyme bilden, die auch bei anderen Darmbakterien vorkommen. So entsteht im Darm ein Zusammenspiel der Stoffwechselprodukte (=Metaboliten) verschiedener Bakterienarten mit den Metaboliten anderer Bakterien.

Die Forschungsergebnisse geben Aufschluss über die Beteiligung spezifischer Mitglieder der Darmmikrobiota an der Synthese der Vorläufer von Indoxylsulfat und p-Kresylsulfat und erweitern das bestehende Verständnis der Produktion dieser Metaboliten durch den Wirt. In der Leber werden Indol bzw. p-Kresol dann zu den eigentlichen urämischen Toxinen umgewandelt. Dafür sind besondere Leber-Enzyme notwendig.

Forschungsimpulse und Ausblick

Die Ergebnisse der ersten Studien veranlassten die o.g. Autoren dazu, ein genetisch verändertes Bakterium in weiteren Studien zu verwenden, um die Auswirkungen der Produktion der einzelnen Urämietoxin-Vorläufer (Indol oder p-Kresol) bzw. beider Vorläufer (Indol und p-Kresol) auf das Thrombose-Risiko zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigen, dass beide o.g. Urämietoxine jeweils eine unabhängige Rolle bei der Thromboseentwicklung einnehmen und jedes für sich die Thromboseneigung fördern kann. Die urämischen Toxine Indoxylsulfat und p-Kresylsulfat sind zudem an der Entstehung von atherosklerotischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen beteiligt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Nemet et al. (2023) erstmalig den Mechanismus aufzeigen, durch den die Darmmikrobiota und der Wirt bei der Bildung der aus essenziellen Aminosäuren gewonnenen Metaboliten Indoxylsulfat und p-Kresylsulfat zusammenarbeiten, sowie die Rolle dieser Metaboliten bei der Entstehung von Thromboseneigungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht nur bei nierenkranken Patienten.

 

Quellen:

  • Machado Ribeiro, T. R., Brito, C. B., & Byndloss, M. X. (2024). Can our microbiome break our hearts? Collaborative production of p -cresol sulfate and indoxyl sulfate by commensal microbes increases susceptibility to thrombosis. MBio. https://doi.org/10.1128/mbio.02692-23
  • Nemet, I., Funabashi, M., Li, X. S., Dwidar, M., Sangwan, N., Skye, S. M., Romano, K. A., Cajka, T., Needham, B. D., Mazmanian, S. K., Hajjar, A. M., Rey, F. E., Fiehn, O., Tang, W. H. W., Fischbach, M. A., & Hazen, S. L. (2023). Microbe-derived uremic solutes enhance thrombosis potential in the host. MBio, 14(6). https://doi.org/10.1128/mbio.01331-23