Achterbahnfahrt der Gefühle

Zusammenfassung

  • Die aufkeimenden Emotionen in einer Krisensituation können nach Hurst & Shepard (1986) sieben Phasen durchlaufen und werden als Achterbahn der Gefühle bezeichnet
  • Die Phasen von Schock, Leugnen, Wut, Angst, Depression bis schließlich zur Akzeptanz lassen sich auch auf die chronische Niereninsuffizienz der Katze übertragen
  • Ein aktives Herangehen an die CNE, hilft bei der Bewältigung der verschiedenen Phasen

 

Eine Achterbahnfahrt der Gefühle

Die Diagnose der chronischen Nierenerkrankung trifft häufig den Besitzer wie ein Schlag, der tief gesessen hat. Die Diagnose klingt so endlich und löst daher meist heftige Emotionen aus. Auf der einen Seite will man sein liebgewonnenes Familienmitglied nicht verlieren, auf der anderen Seite möchte man aber auch nicht, dass die Katze leidet. Wie geht man mit so einer emotionalen Situation um?

 

Es gibt keine Pauschalantwort. Jeder Katzenbesitzer erlebt und bewältigt diese Situation anders. Nimmt der Katzenbesitzer die CNE-Diagnose als emotionale Krise wahr, gibt es unterschiedliche Gefühlsphasen, die er dabei individuell durchlebt, sowie unterschiedliche Bewältigungsstrategien, die jeder anders nutzt. Verhindern lassen sich Emotionen in einer schwierigen Situation sicherlich nicht. Das Wissen um die Gefühlsphasen kann aber hilfreich sein, um die entstehenden Emotionen abzumildern, indem sich der Katzenbesitzer klar macht, in welcher Phase er sich gerade befindet. Allein das Wissen darum, dass es sich um Phasen handelt, kann ihm vermutlich schon helfen.

 

Die aufkeimenden Emotionen in einer Krisensituation können nach Hurst & Shepard (1986) sieben Phasen durchlaufen und werden als Achterbahn der Gefühle bezeichnet. Dieses Roller Coaster Modell gilt sowohl für Liebeskummer als auch für Trauer um den Verlust einer geliebten Person oder den Verlust des Arbeitsplatzes. Dabei verläuft der emotionale Ritt über Schock, Leugnen, Wut, Angst, Depression bis schließlich zur Akzeptanz. Bezieht man die einzelnen Phasen auf die Chronische Nierenerkrankung der Katze, so können sich die einzelnen Gefühlsphasen wie folgt ergeben:

 

(1) In der ersten Phase wird die Vorahnung beschrieben, in der der Katzenbesitzer beispielsweise bemerkt, dass sich seine Katze verändert hat: sie sieht weniger vital aus und schläft viel. Sie spielt möglicherweise weniger als sonst und zeigt geringeres Interesse an der Interaktion mit ihrem Besitzer. Dem Katzenbesitzer wird klar, dass sich etwas verändert hat. Seine Intuition vermutet nichts Gutes und der Katzenfreund sucht daher seinen Tierarzt auf.

 

(2) Mit der Diagnose der CNE kommt die Schockphase. Seine Vorahnung war richtig – jetzt hat der Katzenbesitzer Gewissheit, dass seine Katze ernsthaft erkrankt ist. Damit malt er sich das schlimmste Szenario aus: seine Katze wird bald nicht mehr bei ihm sein und er antizipiert bereits das nahende Ende seines geliebten Vierbeiners. Der Katzenbesitzer hat Angst um das Leben seiner Katze. Jetzt braucht der Katzenbesitzer Zeit, diese Situation erst einmal zu verdauen.

 

(3) Manche Katzenbesitzer fühlen den bevorstehenden Verlust der Katze sehr bildhaft und beginnen zu trauern. Um die Katze selbst, aber auch um den Verlust der alltäglichen gemeinsamen Routinen und der liebgewonnenen Interaktion mit ihrem vierbeinigen Partner. Sie trauern darum, dass das Zusammenleben mit ihrer Katze nicht mehr so bleibt, wie es bislang war.

 

(4) In der nachfolgenden Phase des Leugnens ist das Nicht-Wahrhaben-Wollen der CNE-Diagnose, der Widerwille, die Diagnose und damit die Situation zu akzeptieren. Dies kann beispielsweise sichtbar sein an Aussagen wie: „Meine Katze kann nicht krank sein.“ „Der Tierarzt muss sich irren.“ Diese Phase kann auch von Schockstarre und Untätigkeit begleitet sein, die auch durch das Gefühl der Machtlosigkeit und des Kontrollverlustes gekennzeichnet ist. Auch die Sorgen des Katzenbesitzers um seine Katze, aber auch um die bevorstehenden zeitlichen und finanziellen Beanspruchungen, die so eine CNE-Erkrankung mit sich bringt, mischen sich in diese Phase.

Die Diagnose CNE trifft Besitzer häufig wie ein Schlag, der verschiedene Phasen an Emotionen auslöst.

Wut, Depression und/oder Schuldgefühle überwältigen in dieser Phase den Katzenbesitzer: „Warum ausgerechnet meine Mia“? „Wo habe ich nicht aufgepasst?“ „Warum habe ich nicht schon früher etwas bemerkt?“ „Hätte ich doch nur schon früher den Tierarzt aufgesucht!“ Der Katzenbesitzer wird von seinen Emotionen überwältigt und fühlt sich machtlos mit der CNE-Diagnose seiner geliebten Katze. Katzenbesitzer können aber auch in dieser Phase die Wut gegen Dritte richten und diese beschuldigen, beispielsweise für die Situation ihrer Katze verantwortlich zu sein bzw. im Falle des Tierarztes, die geliebte Katze nicht zu „retten“. Wut kann dem Katzenbesitzer helfen, sich von seinem Schmerz abzulenken. Seine Wut zu unterdrücken kann zu Depression (mit Hoffnungslosigkeit und Trägheit) oder auch zu Aggression gegenüber Dritten wie etwa dem Tierarzt führen.

 

Schuldgefühle des Katzenbesitzers können auch auftreten, wenn er das Gefühl hat, sich um seine CNE-kranke Katze nicht ausreichend kümmern zu können. Das betrifft sowohl seine zeitliche wie auch die finanzielle Situation, aber auch seine Fähigkeiten, die Katze entsprechend „fachmännisch“ zu versorgen (s. Blog-Artikel Wenn das Kümmern verkümmern lässt). CNE-kranke Katzen fressen häufig schlecht und das kann zu Schuldgefühlen beim Katzenbesitzer führen, wenn er sich dafür verantwortlich fühlt z.B. durch die Umstellung auf Diätfutter. Der Katzenbesitzer kann sich zudem schuldig fühlen, wenn er seiner kranken Katze dem Stress der Tierarztbesuche (Einsperren in die Transportbox, lange Autofahrten etc.) und Behandlungen (wie beispielsweise Blutentnahmen) aussetzt.

 

(5) In der fünften Phase keimt Hoffnung auf und auch die sechste und siebte Phase sind von Überwindung und Akzeptanz der Krise geprägt. Bezieht man diese Phasen auf die Situation bei der CNE, so kann dies bedeuten, dass der Katzenbesitzer aktiv wird und sich weitreichend über die CNE und das Staging seiner Katze informiert. Dabei kann er sich Hilfe von außen (Tierarzt, Foren, Austausch mit anderen betroffenen Katzenbesitzern) sowie Unterstützung durch Freunde und Bekannte suchen. Ein betroffener Katzenbesitzer kann auch selbst zum „Experten“ der CNE-Erkrankung seiner Katze werden: indem er viel Zeit mit Lesen und Recherchieren verbringt, um sich selbst ein Bild zu machen. Dabei kann der Katzenbesitzer möglicherweise feststellen, dass die Katze noch gut und gerne ein paar Jahre mit guter Lebensqualität vor sich hat. Und auch, dass der zeitliche und finanzielle Aufwand für die Betreuung der CNE-Katze für ihn machbar, planbar und in seinen Tagesablauf integrierbar ist.

Wechselbad der emotionen

Es gibt neben diesem noch viele weitere Krisenmodelle (beispielsweise von Johann Cullberg [1978] und der Psychologin Vera Kast [2013, 2014, 2015]), die meist in vier Phasen dargestellt werden. Phasen können dabei anders benannt (beispielsweise Phase der Reaktion, Phase der Bearbeitung) und inhaltlich anders beschrieben sein als in dem o.g. siebenphasigen Roller Coaster Modell. Allen Modellen gemeinsam ist, dass das Durchlaufen der Phasen nicht immer nacheinander geschieht. Phasen können sich überlappen oder auch wiederholen. Auch ist die zeitliche Abfolge sehr individuell. Während die eine Katzenbesitzerin bereits planvoll die CNE ihrer Katze managt, kämpft die andere noch gegen ihre Emotionen an. Seine individuellen Erfahrungen aber auch die Informationen, die ein Katzenbesitzer zur Verfügung hat, können ihm bei der Krisenbewältigung helfen. Das hat mich veranlasst, diese CNE-Website zu verfassen.

 

Ich schreibe vor allem für betroffene Katzenbesitzer, da für mich aus eigener Erfahrung das Verdrängen keine Lösung war und im Zweifel damit auch nur wertvolle Zeit verloren geht. Starke Emotionen sind nun einmal da und lassen sich schlecht verdrängen. Aber aktiv zu werden und sich mit der scheinbar hoffnungslosen Situation meiner Katze bewusst auseinanderzusetzen, hat mir sehr geholfen, die verbleibende Zeit mit ihr zu nutzen und als wertvoll zu empfinden. Zudem hat meine Akzeptanz der Situation dazu beigetragen, dass ich wieder einen Handlungsspielraum sehen konnte und mich nicht mehr so ohnmächtig und ausgeliefert fühlte. Ich habe damals angefangen, alle Informationen zur CNE zusammenzutragen, die für mich wichtig waren. Nachdem ich auch Freunden und Bekannten damit helfen konnte, ist schließlich die Idee zu dieser Website entstanden. Das liegt bereits ein paar Jahre zurück. Daher nutze ich den Blog, um neuere und interessantere Themen und Details zu vertiefen.

Weitere Blog Beiträge zum Thema Krisenbewältigung:

Frau mit blondem Haar hält graue Katze auf Arm. Streichelt die Katze.
Wenn das Kümmern verkümmern lässt

 

Quellen:

  • Hurst, J.B. / Shepard, J. W. (1986): The Dynamics of the Plant Closing: An Extended Emotional Roller Coaster Ride, Journal of Counseling & Development, 64(6), S. 401–405.
  • Cullberg, J. (1978): Krisen und Krisentherapie. Psychiatrische Praxis (5). Gießen: Psychosozial.
  • Kast, V. (2013): Der schöpferische Sprung. Vom therapeutischen Umgang mit Krisen. Ostfildern: Patmos.
  • Kast, V. (2014): Lebenskrisen werden Lebenschancen. Wendepunkte des Lebens aktiv gestalten. Freiburg im Breisgau: Herder.
  • Kast, V. (2015). Zäsuren und Krisen im Lebenslauf. Wien: Picus.