Es geht nicht ohne Nephrone

Nieren sind wahre Kraftwerke: Sie sind Ausscheidungs- und Entgiftungsorgane und haben daneben noch weitere wichtige Aufgaben für den Körper. Nieren können Abfallprodukte des Stoffwechsels und Schadstoffe (z.B. urämische Toxine) aus dem Blut filtrieren und damit über den Urin ausscheiden. Sie regulieren den Wasserhaushalt sowie den körpereigenen Spiegel an Elektrolyten und den Säure-Basen-Haushalt. Was zu viel ist, wird ausgeschieden. Ebenso wie harnpflichtige Substanzen, die über den Urin den Körper verlassen müssen. Zudem sind die Nieren auch an der Blutdruckregulierung und dem Knochenstoffwechsel (Kalzium-Phosphat-Gleichgewicht) beteiligt.

 

Nephrone sind die Motoren der Niere

Diese wertvollen Aufgaben übernehmen die Funktionseinheiten der Nieren, die sogenannten Nephrone. Die Nephrone liegen im äußeren Nierenbereich, der Nierenrinde. Nephrone bestehen aus sehr unterschiedlichen Anteilen, die sich in ihrem Aussehen und ihrer Funktion deutlich voneinander unterscheiden.

Jedes Nephron besteht aus einem Glomerulum, einem Gefäßknäuel, das von einer Hülle (Bowman-Kapsel) umschlossen wird. Das Gefäßknäuel besteht aus einem zuführenden (Vas afferens) und einem abführenden Gefäß (Vas efferens). Also einem Gefäß, das Blut in das Glomerulum bringt und einem, welches das filtrierte und damit „gereinigte“ Blut aus dem Glomerulum abführt. Denn hier finden bereits erste Ausscheidungsprozesse statt. Mit Hilfe des Blutdruckes und besonderen Filtrationsporen zwischen Gefäßknäuel und Bowman-Kapsel wird sichergestellt, dass vor allem solche Substanzen das Blut verlassen, die auch ausgeschieden werden sollen – wie etwa harnpflichtige Substanzen (z.B. Harnstoff, Harnsäure, Ammoniak). Wichtige Blutbestandteile wie Proteine, rote Blutkörperchen können die Filtrationsporen nicht durchdringen und verbleiben daher im Blut.

Allerdings kann durch die Erhöhung des Blutdruckes auch die Größe der Filtrationsporen beeinflusst werden: steigt der Blutdruck, werden die Filtrationsporen größer. Es kommt zur Ausscheidung von Proteinen, so dass vermehrt Proteine im Urin verloren gehen (Proteinurie). Bei dieser glomerulären Filtration werden mehr Blutbestandteile ausgeschieden, als für den Körper gut wäre. Daher muss nachträglich im Nephron der Harn nachbearbeitet werden. Die Nachbearbeitung umfasst die Rückgewinnung von wichtigen Blutbestandteilen (Rückresorption) und auch die aktive Ausscheidung weiterer Blutbestandteile die nicht oder nicht in ausreichendem Maße glomerulär filtriert wurden.

 

Das Gegenstromprinzip des Röhrensystems

Auch Natrium, Kalium und Magnesium verlassen, weil sie kleine Moleküle sind, das Blut und werden mit den anderen ausfiltrierten Substanzen wie etwa Phosphat, Chlorid, Zucker, Hormone oder urämische Toxine und viel Wasser ausgefiltert. Dieses erste Filtrat aus der glomerulären Filtration, das sich auch Primärharn nennt, gelangt in den zweiten Teil des Nephrons. Dieser zweite Teil des Nephrons bildet das Röhrensystem (Tubulussystem). Das Tubulussystem besteht aus drei Anteilen: Der erste Abschnitt des Röhrensystems, der sogenannte proximale Tubulus geht durch den zweiten Teil, der Henleschen Schleife in den dritten Teil, den distalen Tubulus über. Proximaler und distaler Tubulus verlaufen parallel.

Im proximalen Tubulus werden zunächst wichtige ausfiltrierte Bestandteile wieder zurückgewonnen. Hier werden etwa 2/3 des ausgefilterten Wassers resorbiert, also wieder dem Körper zugeführt. Auch ein großer Anteil an Salzen und Mineralien (wie Kalium, Kalzium) Bicarbonat, Zucker und Phosphat werden hier wieder zurück ins Blut überführt. Auf der anderen Seite können hier auch aktiv Stoffe in den Harn ausgeschieden werden wie etwa Arzneimittel.

Der Aufbau der Nephrone
Nephrone bestehen aus sehr unterschiedlichen Anteilen, die sich in ihrem Aussehen und ihrer Funktion deutlich voneinander unterscheiden.

 

Der proximale Tubulus geht in die Henlesche Schleife über, die durch das Nierenmark verläuft. Hier wird weiter Wasser zurückgewonnen und damit der Harn konzentrierter (siehe spezifisches Gewicht des Harns). Auch Kochsalz und Mineralstoffe wie Kalzium und Magnesium können in diesem Bereich des Nephrons zurückgewonnen werden. Auf der anderen Seite kann Kalium aktiv in den Harn ausgeschieden werden.

Im distalen Tubulus, der sich an die Henlesche Schleife anschließt, findet die Regulierung des Wasser- und Elektrolythaushaltes und des Blut-pH-Wertes unter dem Einfluss von Hormonen statt. Auch hier wird Wasser, Kochsalz, Magnesium, Kalium und auch Harnstoff zurückgewonnen.

 

Konzentration des Harns durch Wasserrückgewinnung

Der Harn wird zunehmend konzentrierter, indem ihm mehr und mehr Wasser entzogen wird. Letztlich wird nur etwa 1% des aus dem Glomerulum ausgefilterten Wassers über den Urin ausgeschieden. 99% werden im Nephron zurück resorbiert. Diese Fähigkeit zur Harnkonzentration durch die Rückgewinnung des ausfiltrierten Wassers geht bei der chronischen Nierenerkrankung der Katze (CNE) durch die Schädigung und den Zerfall der Nephrone verloren. Gemessen werden kann dies an dem spezifischen Gewicht des Harns, das bei CNE abnimmt, weil vermehrt Wasser ausgeschieden wird und der Harn dadurch nicht mehr konzentriert werden kann.

Letztlich wird nur etwa 1% des aus dem Glomerulum ausgefilterten Wassers über den Urin ausgeschieden. 99% werden im Nephron zurück resorbiert.

Der distale Tubulus geht schließlich in das Sammelrohr über, das ebenfalls parallel zu dem Röhrensystem des Nephrons verläuft. Das Sammelrohr sammelt den Harn und leitet ihn in das Nierenbecken ab. Blutgefäße verlaufen parallel zu allen Röhrenstrukturen und transportieren das rückgewonnene Wasser ab. Damit bilden die Rohrsysteme und die Blutgefäße ein physikalisches Gegenstromprinzip. Dadurch ist es möglich, dass in den nebeneinanderliegenden Strukturen ein Austausch von Molekülen stattfinden kann. Grundvoraussetzung ist dabei der parallele Verlauf der Strukturen mit entgegengesetzter Fließrichtung von Harn bzw. Blut.

 

Nephrone als Hormonproduzenten

In den Nephronen werden Hormone gebildet, die an der Blutbildung und am Knochenstoffwechsel und der Blutdruckregulierung beteiligt sind.

Das Hormon Erythropoetin, trägt zur Blutbildung bei, indem es die Anzahl roter Blutkörperchen (Erythrozyten) erhöht. Rote Blutkörperchen transportieren lebensnotwendigen Sauerstoff. Sinkt der Sauerstoffanteil in den Nierengefäßen, schütten die Nephrone vermehrt Erythropoetin aus. Bei der CNE geht diese Hormonbildung zurück, so dass betroffene Katzen zur Anämie, also Blutarmut neigen. Mit der Folge von Blässe, Schwäche und Müdigkeit.

Als weiteres wichtiges Hormon bilden die Nephrone Calcitriol, die aktive Form des Vitamin D.

Über Calcitriol wird das Kalzium-Phosphat-Gleichgewicht fein reguliert. Kommt es zu Veränderungen, kann Kalzium aus dem Knochen mobilisiert werden. Wird dieser Weg übermäßig aktiviert wie bei der CNE dann führt das dazu, dass der Knochen entmineralisiert und damit leicht brüchig wird. Diese Problematik tritt im Zusammenhang mit einem zu hohen Phosphat-Blutspiegel auf (Hyperphosphatämie). Ein zu hoher Phosphat-Spiegel ist die Folge einer verringerten Filtrationsleistung der Nephrone. Im Blut ist dann ein erhöhter Phosphatwert nachweisbar.

 

Hoher Blutdruck fördert die glomeruläre Filtration

Ist der Blutdruck in dem zuführenden Gefäß des Glomerulums zu gering, wird von den Nieren das Hormon Renin ausgeschüttet, welches über eine Kaskade (Renin-Angiotensin-Aldosteron-System) zu einer Blutdruckerhöhung beiträgt. Diese Feinregulierung des Blutdruckes ist bei der CNE gestört. Da nur noch wenige Nephrone arbeiten können, wird hier ein erhöhter Blutdruck in den Glomerula von den Nieren reguliert. Dadurch können die verbleibenden Nephrone mehr ausfiltern. Ihre Leistung (glomeruläre Filtration) steigt zunächst. Durch die Überbelastung gehen schließlich aber auch diese Nephrone zugrunde. Durch den erhöhten Blutdruck werden jedoch auch Proteine in den Urin ausgeschieden, die in den nachfolgenden Röhrensystemen aufgrund der Schädigung nicht wieder zurückgewonnen werden können. Dadurch werden vermehrt Proteine mit dem Urin ausgeschieden, was als Proteinurie sichtbar wird anhand des UPC. (s. Urin-Analyse)

 

CNE = Untergang der Nephrone

Bei der chronischen Nierenerkrankung der Katze (CNE) verlieren die Nephrone ihre Fähigkeiten zur Ausscheidung und Entgiftung, zur Rückgewinnung von Wasser und Mineralien sowie zur Hormonbildung. Die Nephrone der Nieren sind in ihrer Anzahl begrenzt. Katzen besitzen beispielsweise 200.000 Nephrone. Menschen etwa zehn Mal mehr. Geschädigte Nephrone erholen sich nicht mehr. Sie sterben ab.

Die CNE führt über unterschiedliche Teufelskreise dazu, dass immer mehr Nephrone absterben und damit ihre Aufgaben immer schlechter ausführen. Dennoch treten erste Symptome einer CNE erst dann auf, wenn bereits 2/3 bis ¾ der Nephrone unwiederbringlich zerstört sind. Die bis dahin verbleibenden Nephrone sind wahre Kraftwerke, die über fein abgestimmte Mechanismen ihre Entgiftungs- und Ausscheidungsarbeit sowie ihre Regulierung von Wasser, Blut-pH und Mineralstoffen und ihre Hormonbildung erstaunlich gut aufrecht erhalten können: Häufig sind auch im Blutbild, das ja ein Spiegel für die Filtrationsarbeit der Nephrone darstellt, keine Hinweise auf eine Nierenschädigung sichtbar. Dennoch ist ein Erhalt der bestehenden Nephrone bei der CNE oberstes Gebot, um den fortschreitenden Prozess der chronischen Nierenerkrankung zu verlangsamen. Dazu gilt es, die vorhandenen Teufelskreise zu durchbrechen.

Mehr über die 4 Teufelskreise der chronischen Nierenerkrankung erfährst du hier.

4 Teufelskreise der Nierenzerstörung


Quellen