Proteine: Lebensgrundlage und Gesundheitsproblem?

Zusammenfassung

  • die Dünndarmverdaulichkeit von Proteinen ist von großer Bedeutung für die bedarfsgerechte Fütterung
  • eine nicht bedarfsgerechte Proteinversorgung kann dazu führen, dass sich die Zusammensetzung der Darmbakterien verändert
  • die verlängerte Verweildauer von Proteinen im Dickdarm führt zu einem Anstieg urämischer Toxine

Proteine: Lebensgrundlage und Gesundheitsproblem?

In der kürzlich erschienen Oktoberausgabe der Kleintierpraxis ist ein sehr interessanter Artikel über die Verdaulichkeit und Qualität von Proteinen bei Hunden erschienen, den ich hier vorstellen möchte, weil er viele sachliche Informationen enthält, die auch zum Verständnis der Darm-Nieren-Achse bei Katzen wichtig sind.

 

Dünndarm-Verdaulichkeit von Proteinen

Für die bedarfsgerechte Versorgung mit Proteinen sind nicht nur die aufgenommene Proteinmenge, sondern auch die Verdaulichkeit der im Futter enthaltenen Proteine und Aminosäuren wesentlich. Dabei spielt die Dünndarmverdaulichkeit von Proteinen und Aminosäuren eine wichtige Rolle. Diese wird auch als präzäkale Verdaulichkeit bezeichnet.

Die Proteinaufnahme wiederum ist von der Art der Proteinquelle, des Zusammenspiels mit anderen Futterbestandteilen und auch der technologischen Futterverarbeitung beeinflusst. Eine nicht bedarfsgerechte Proteinversorgung kann dazu führen, dass sich die Zusammensetzung der Darmbakterien verändert. Daraus resultierend können Verdauungsstörungen und weitere gesundheitliche Probleme entstehen.

 

Bei sinkender Dünndarm-Verdaulichkeit werden vermehrt Vorstufen urämischer Toxine gebildet

Werden zu wenig Dünndarm-verdauliche Proteine gefüttert, das sind solche Proteine, die bereits im Dünndarm verdaut und aufgenommen werden, gelangen größere Mengen an Proteinen und Aminosäuren in den Dickdarm, wo sie durch Darmbakterien (Mikrobiom) verdaut und umgewandelt werden. Der vermehrte Abbau von Proteinen und Aminosäuren durch Darmbakterien im Dickdarm ist mit der gesteigerten Bildung von Vorstufen urämischer Toxine  wie Indol verbunden. Indol hat eine nachhaltige Auswirkung für die Nierengesundheit, wenn es in den Organismus gelangt (s. Urämische Toxine). Die Verbindung von den im Darm gebildeten Vorstufen urämischer Toxine und der Nierengesundheit wird auch als Darm-Nieren-Achse bezeichnet. Neben Indol werden durch den Aufschluss der Aminosäuren Phenylalanin, Tryptophan und Tyrosin auch Phenole wie p-Kresol gebildet, die vom Körper aufgenommen und ebenso wie Indol (in der Leber) weiter verstoffwechselt und dann mit dem Harn ausgeschieden werden. Von Phenolen ist bekannt, dass sie neben Nierenschäden die Tumorbildung unterstützen.

 

Dünndarm-Verdaulichkeit wichtig für die Versorgung mit Aminosäuren

Die Gesamtverdaulichkeit von Proteinen in der Fütterung besteht damit aus der Dünndarm-Verdaulichkeit und dem bakteriellen Abbau im Dickdarm. Nicht verdautes Protein, das also weder im Dünndarm noch im Dickdarm abgebaut wird, verlässt mit dem Kot das Tier. Unverdauliche Proteinanteile werden zusammen mit Stickstoff aus der bakteriellen Proteinverdauung und Harnstoff, der aus dem Blut in den Darm abgegeben wird, ausgeschieden.

Bei einer Verwendung von hochwertigen Proteinquellen tierischer Herkunft ist von einer bedarfsgerechten Versorgung mit essentiellen Aminosäuren auszugehen. Die Aufnahme dieser essentiellen Aminosäuren und damit die Aminosäure-Versorgung findet im Dünndarm statt. Im Dickdarm werden Aminosäuren durch Bakterien aufgeschlossen und stehen dann nicht mehr für die Aminosäure-Versorgung zur Verfügung. Wichtig ist daher die ausreichende Aufnahme essenzieller Aminosäuren bereits im Dünndarm.

 

Dünndarm-Verdaulichkeit entscheidet über die Qualität des Futters

Die Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung mit essentiellen Aminosäuren ist daher von der Dünndarm-Verdaulichkeit des Futter-Proteins abhängig, die die Qualität des Futtermittels ausmacht. Die Dünndarm-Verdaulichkeit des Futter-Proteins wird durch deren Proteinstruktur geprägt, da es für die Verdaulichkeit wichtig ist, dass die Verdauungsenzyme (aus dem Verdauungssäften) sich an die Proteine anlagern können. Damit sind solche Proteine von hoher Qualität, die den Verdauungsenzymen im Dünndarm leicht zugängig sind. Dazu gehören etwa Muskelfleisch und frische Organe. Den Verdauungsenzymen weniger zugängig sind beispielsweise Hornprodukte (Klauen, Hufe etc.) oder auch Federprodukte (beispielsweise Federmehl).

Auch konnte beim Hund nachgewiesen werden, dass Faserbestandteile im Futter, wie etwa Cellulose oder verschiedene Kohlenhydrate, zu einer Verringerung der Proteinverdauung führen. Verdaulichkeitssteigernd können sich Wärmebehandlungen von Futtermitteln auswirken. Durch die Wärmebehandlung können Proteine so verändert werden, dass sie dann den Verdauungsenzymen leichter zugängig sind. Allerdings kann mit einer Zunahme der Temperatur und deren Einwirkzeit die Qualität der Proteine auch verschlechtert werden.

 

Verweildauer im Dickdarm erhöht mikrobiellen Abbau von Proteinen: Vermehrte Bildung von urämischen Toxinen und Ammoniak

Bei Hunden gibt es zudem eine Abhängigkeit der Verdaulichkeit von Proteinen von der psychischen Verfassung des Hundes, von der Hunderasse, sowie individuellen Unterschieden wie Alter und Körpergröße. Vom Welpen zum Junghund nimmt die Protein-Verdaulichkeit zunächst zu, um dann im Alter zwischen 9 – 11 Jahren wieder abzunehmen. Der Einfluss der Körpergröße wird mit dem verlängerten Dickdarm bei zunehmender Körpergröße von Hunden in Zusammenhang gebracht. Die Verlängerung des Dickdarms führt zu einer längeren Verweildauer von Futter im Dickdarm. Bei einem Anstieg der Verweildauer von Futterproteinen im Dickdarm, erhöht sich der mikrobielle Aufschluss von Proteinen, was wiederum zu einem Anstieg von urämischen Toxinvorstufen (wie dem Indol) und Ammoniak führt. Der überwiegende Anteil von Ammoniak wird über den Kot ausgeschieden. In den Organismus aufgenommener Ammoniak wird über die Nieren in Form von Harnstoff ausgeschieden. Harnstoff wiederum kann aus dem Blut in den Darm gelangen und dort zu Ammoniak umgebaut und dann mit dem Kot ausgeschieden werden. Harnstoff stellt zudem für die Darmbakterien eine Stickstoffquelle für deren Proteinbildung dar.

 

Mikrobieller Abbau ist von Futterqualität beeinflusst

Letztlich ist die Protein-Verdauung auch von der Zusammensetzung der Darmbakterien abhängig. Die Zusammensetzung des Mikrobioms unterliegt dabei vielen individuellen (Körpergröße, Rasse, Gewicht, Alter etc.) und Umwelt-Faktoren, aber auch der Fütterung. Bei der Fütterung sind die Menge und Art der Kohlenhydrate und Faserbestandteile im Futter wichtig. Die stärkste Beeinflussung der Darmbakterien geht jedoch vom Proteingehalt des Futters und dessen Dünndarm-Verdaulichkeit wie oben beschrieben aus. Gelangen vermehrt Proteine in den Dickdarm, verändert sich die Zusammensetzung der Darmbakterien so, dass sich solche Bakterienarten vermehren können, die die schädlichen Abbauprodukte (wie die Vorstufen urämischer Toxine und Ammoniak) bilden. Eine verringerte Proteinverdauung im Dünndarm kann daher mit gesundheitlichen Problemen in Zusammenhang gebracht werden.

 

Quellen:

  • Vierbaum, L. / Zentek, J. (2019): Ernährung von Hunden: Gutes Protein, schlechtes Protein, zu viel Protein, zu wenig Protein – Fakten und Fiktionen; In: Kleintierpraxis, 64, Oktober 2019, S.576 – 588.
  • Zentek, J. (2019): Protein und Faserstoffe: Effekte auf das Mikrobiom beim Hund. Proceedings Vet Congress 14. – 16. November 2019, S. 227–229.