Der Darm hat nicht nur Charme

Zusammenfassung

  • Im Darm entstehen Abbauprodukte, wie Urämietoxine, die giftig sind für die Nieren und andere Organe der Katzen.
  • Es besteht ein Teufelskreis aus chronischer Nierenerkrankung der Katze und Dysbiose des Mikrobioms.
  • Das Durchbrechen der Darm-Nieren-Achse ist ein wichtiger Ansatz für die Therapie der chronischen Nierenerkrankung bei Katzen.

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Die Darm-Nieren-Achse

Im Darm werden Nahrungsbestandteile aufgeschlossen und dem Körper zugängig gemacht. Dabei entstehen Abbauprodukte, die über den Kot ausgeschieden werden und so quasi als „Müll“ den Körper wieder verlassen. Das ist soweit bekannt. Allerdings gibt es auch Abbauprodukte, die im Darm entstehen, in der Leber verstoffwechselt werden und über die Nieren ausgeschieden werden müssen. Diese Abbauprodukte können zudem giftig (toxisch) sein für Nieren und Organe. Es handelt sich dabei um Urämietoxine oder auch urämische Toxine genannt, die durch den mikrobiellen Proteinaufschluss im Darm entstehen und zur sogenannten Darm-Nieren-Achse gehören. Urämietoxine werden üblicherweise mit dem Urin ausgeschieden. Erst bei einer eingeschränkten Nierenfunktion verbleiben sie im Körper und können dann bereits dosis-unabhängig zu Nieren- und anderen Organschäden führen, die den Fortgang (Progression) einer chronischen Nierenerkrankung fördern. Die Darmbakterien haben durch ihre Produktion der Vorstufen dieser Urämietoxine damit einen Einfluss auf die Progression der chronischen Nierenerkrankung.

 

Das Mikrobiom aus freundlichen Gefährten

Diese Gesamtheit der Darmbakterien und anderen Mikroben in und auf unserem Körper wird auch Mikrobiom genannt. Von ihnen gibt es Billionen im Magen-Darmtrakt und v.a. im Dickdarm. Das Mikrobiom beeinflusst den Stoffwechsel erheblich, ist allerdings noch nicht vollumfänglich erforscht. Diese Bakterien bilden ein Gleichgewicht, ihr Vorkommen ist ausgewogen und sie bilden ein Ökosystem nicht nur untereinander, sondern auch mit ihrem Wirt. Zwischen dem Wirt und seinem Mikrobiom bestehen Interaktionen: so sind die Darmbakterien neben dem Stoffwechsel des Wirtes durch den Aufschluss seiner Nahrung auch an dessen Immunstatus beteiligt. Kommt es zu einem Ungleichgewicht der Darmbakterien (dies nennt man Dysbiose), kann dies eine Vielzahl von Erkrankungen für den Wirt zur Folge haben.

Dazu gehören neben entzündlichen Veränderungen auch Erkrankungen außerhalb des Darmes wie etwa die chronische Nierenerkrankung. Auch das Wohlbefinden ist an das Mikrobiom gekoppelt und Allergien, Arthritische Erkrankungen, Diabetes und Schilddrüsenerkrankungen sollen mit dem Mikrobiom in Verbindung stehen. Durch die Dysbiose kommt es dazu, dass das empfindliche Gleichgewicht der Bakterien untereinander sich ändert. Darmbakterien benötigen Unterstützung von anderen Darmbakterien, mit denen Sie das Ökosystem bilden. Daher haben häufig solche präbiotischen Mittel wenig Einfluss, die nur eine oder wenige Darmbakterien unterstützen. Die Mikroorganismengemeinschaft muss also unterstützt bzw. bei Erkrankungen ersetzt werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang die von der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA), der amerikanischen Zulassungsbehörde für Arzneimittel, im Jahre 2013 zugelassenen Stuhltransplantation in Form von Kapseln mit gefrorenem Stuhl von entsprechenden Spendern.

 

Angriff auf das Mikrobiom

Bei der chronischen Nierenerkrankung vermehren sich durch den Einfluss von Indoxylsulfat, dem wichtigsten urämischen Toxin, insbesondere solche Bakterien, die die Vorstufen urämischer Toxine bilden. Indoxylsulfat selbst entsteht durch den Proteinabbau der Mikroorganismen im Darm und wird in der Leber zum eigentlichen Toxin umgewandelt. Kann es bei der chronischen Nierenerkrankung nicht ausgeschieden werden, steigt sein Blutspiegel und damit die Probleme an. Inoxylsulfat beeinflusst das Mikrobiom so, dass noch mehr Urämietoxine und hier insbesondere Indoxylsulfat und para-Kresylsulfat, entstehen, die über die Nieren nicht ausgeschieden werden können und daher im Körper zu Schäden führen. Zudem führt Indoxylsulfat dazu, dass auch die Darmbarrieren durchlässiger werden. Dies hat zur Folge, dass weitere schädliche Stoffe (sogenannte Enterotoxine) in den Körper gelangen und dazu führen, dass der Entzündungsstatus gefördert wird. Das fördert eine „Anfälligkeit“ für Entzündungen bei chronisch Nierenkranken. Auch diese Entzündungsanfälligkeit kann zum Fortschreiten der chronischen Nierenerkrankung beitragen. Indoxylsulfat, wie auch para-Kresylsulfat, ebenfalls der Darm-Nieren-Achse zugesprochenen Urämietoxin, das aus dem mikrobiellen Proteinabbau im Darm entsteht, können die Insulinresistenz (Diabetes) bedingen, das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) aktivieren und damit zu Bluthochdruck beitragen, den Phosphatspiegel erhöhen, Anämie auslösen und zu lebensbedrohlichen Veränderungen des Cardiovaskulären Sytems (Herz-Kreislauf-System) beitragen und über entzündliche Veränderungen in den Nieren das Fortschreiten der chronischen Nierenerkrankung bedingen. In der Humanmedizin stehen beide Urämietoxine in ursächlichem Zusammenhang mit der Mortalität und damit der Sterblichkeit nierenkranker Patienten. Auch bei nierenkranken Katzen konnte ihr Einfluss auf die Prognose der Nierenerkrankung gezeigt werden.

 

Durchbrechen der Darm-Nieren-Achse

Das Durchbrechen der Darm-Nieren-Achse ist daher ein wichtiger Ansatz für die Therapie der chronischen Nierenerkrankung. Der Einsatz von Probiotika hat dabei wie oben beschrieben meist nur kurzzeitige Wirkung. In der Humanmedizin wurde daher ein Ansatz entwickelt, den Übertritt von Vorstufen der urämischen Toxine in das Blut zu verhindern. Die Vorstufen der urämischen Toxine werden über einen Kohlenstoff-Adsorber bereits im Darm abgefangen und über den Kot ausgeschleust. Daraus entstehen dann keine urämischen Toxine mehr. Es konnte in zahlreichen Studien gezeigt werden, dass die Blutspiegel von Indoxylsulfat erfolgreich mit diesem neuen Ansatz gesenkt werden konnten, was zu einer Verbesserung klinischer Symptome bei nierenkranken Patienten, sowie zu einer Lebensverlängerung beigetragen hat.

 

Die Toxine sehen schwarz: Kohlenstoff als spezialisierter Urämietoxinbinder

Es handelt sich dabei nicht um Medizinkohle, sondern um ein patentiertes Verfahren, Kohlenstoff so aufzubereiten, dass es in kleinsten Kügelchen vorliegt, die unverändert den Darm passieren und auch nicht zu einer Schwarzfärbung des Stuhls führen, weil sie sich eben nicht im Magen-Darm-Trakt auflösen. Diese Kohlekügelchen sind nicht nur in einer besonderen und für den Magen-Darm-Trakt unschädlichen Form gestaltet, sondern sie haben auch viele Poren auf ihrer Oberfläche, in die die Vorstufen der urämischen Toxine in das Innere der Kugel gelangen können. Auch von Medizinkohle ist bekannt, dass es Toxine aufnehmen kann. Kohle an sich hat eine hohe bindende Eigenschaft für Giftstoffe. Allerdings besteht bei Medizinkohle die Problematik der Form und der nicht vorhandenen Selektivität. Medizinkohle ist splitterförmig. Das hat zur Konsequenz, dass es zu Verklumpungen und zu Reizungen der Magen-Darm-Schleimhaut führen kann mit Verstopfungen, Bauchschmerzen, aber auch Erbrechen und Durchfall. Diese Nachteile werden durch die Kugelform aufgehoben, was auch in klinischen Studien nachgewiesen werden konnte.

 

„Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen“

Die Selektivität ist notwendig, damit nur solche Stoffe in die Kohlenstoff-Kugeln aufgenommen werden, die aus dem Darm entfernt werden sollen, alle anderen aber nicht. Würden die Kugeln zum Beispiel Nahrungsbestandteile wie beispielsweise Fette, Vitamine oder Nahrungsenzyme aufnehmen, so käme es bei einem langfristigen Einsatz zu Defiziten. Dies ist bei Medizinkohle der Fall. Daher wird sie auch in Akutsituationen, nicht aber langfristig (auch wegen der Nebenwirkungen) eingesetzt. Die Selektivität wird durch die Porengröße erzielt: Die Vorstufen der urämischen Toxine sind sehr klein, so dass beispielsweise Vitamine nicht in das Innere der Kugeln folgen können. Zudem sind die Vorstufen der Urämietoxine geladen und die Kugeln weisen in ihrem Inneren korrespondierende Ladungen auf, so dass die Vorstufen dann tatsächlich in den Kugeln verbleiben, in der sie physikalisch gebunden sind. Die Porengröße von Medizinkohle ist so groß, dass sie auch andere Stoffe und sogar Medikamente aufnehmen können. Auch das ist ein wesentlicher Unterschied zu den patentierten Kohlenstoff-Kugeln, die designte Porengrößen besitzen, um das zu verhindern. Das Prinzip der Kohlenstoff-Kugeln als „Urämietoxin-Binder“ gibt es auch für Katzen: hier wurde die Selektivität noch einmal erhöht, um dafür zu sorgen, dass auch wirklich nur das aufgenommen wird, was für die Katze schädlich sein kann: Indol und p-Kresol als Vorstufen der urämischen Toxine. Diese Kohlenstoff-Kugeln für Katzen haben den Namen „Renaltec“ und können aus Kokosnuss-Schalen gewonnen werden. Sie können als „orale Dialyse“ bei Katzen eingesetzt werden. Dass sie die Darm-Nieren-Achse „durchbrechen“ können, wurde in Studien an Seniorkatzen gezeigt.

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Quellen:

  • Evenepoel, P. (2016). Darm-Nieren-Achse-Einfluss der Darmmikrobiota auf die Progression einer chronischen Nierenerkrankung. Der Nephrologe, 11(4), 275–281.
  • Yong, E. (2018). Winzige Gefährten – wie Mikroben uns eine umfassendere Ansicht vom Leben vermitteln. München: Anje Kunstmann
  • Welsch, B. (2019). Die Bedeutung des Urämietoxins Indoxylsulfat für den Verlauf chronischer Nierenerkrankungen. Kleintiermedizin, 22(1), 34–40.