Verstopfung – Was dem Darm auf die Nieren geht

Verstopfung bei CNE Katzen

Katzen mit einer chronischen Nierenerkrankung (CNE) leiden nicht nur unter den Folgen der erkrankten Nieren selbst, sondern durch die Darm-Nieren-Achse ist auch der Darm mitbetroffen, wenn die Nieren erkranken. Dies betrifft zum einen die Mikrobiota des Darmes als Gesamtheit der Darmbakterien, -viren und Einzeller. Meist ist die Balance dieser Mikroben gestört – auch durch den Einfluss urämischer Toxine wie Indoxylsulfat, so dass es zu einer sogenannten Dysbiose, einem Ungleichgewicht der Mikroben kommt.

Auch die Darmentleerung kann gestört sein in ihrer Frequenz und Normalität (z.B. bezüglich Konsistenz und Aussehen: bei Verstopfung mitunter härtere Kotballen und dunklere Farbe). Verstopfung kann auftreten bei einer Dehydrierung in Folge einer CNE, Diabetes (Zuckerkrankheit) oder Schilddrüsenüberfunktion (= Hyperthyreose). Daneben gibt es viele weitere Möglichkeiten wie Nervenschädigungen oder auch Beckenbrüche, oder Schmerzen durch Arthrose/Arthritis, die zu einer Verstopfung führen können.

Verringerte Nierenleistung – verringerte Darmtätigkeit

Die Ursache für die schlechtere Verdauung bei Katzen mit CNE ist multifaktoriell. Zum einen liegt eine schlechtere Elekrolyt-Balance vor, weil die geschädigten Nieren nicht mehr in der Lage sind, die Elektrolyte fein zu regulieren. Manche reichern sich an (z.B. Phosphat und Kalzium), andere stehen dem Körper nicht mehr in ausreichender Menge zur Verfügung (z.B. Kalium und Magnesium). Gerade ein Kaliummangel kann zu einer reduzierten Darmtätigkeit führen.

Austrocknung führt zu Verstopfung

Katzen mit CNE verlieren zudem über die Nieren zu viel Wasser und können austrocknen. Wasser wird zunächst großzügig in den Filtereinheiten der Nephrone, den sog. Glomerula ausfiltriert. Die meisten auszuscheidenden Stoffe sind wasserlöslich, so dass es für die Filtration dieser Stoffe viel Wasser benötigt. Dann wird in dem sich anschließenden Röhrensystem der Nephrone 99% des ausgefilterten Wassers zurückgewonnen. Stehen zu wenig funktionierende Röhrensysteme zur Verfügung, was bei der CNE der Fall ist, kann zu wenig Wasser zurückgewonnen werden und geht mit dem Urin verloren. Der Körper versucht vermehrt, Wasser aus dem Darminhalt im Dickdarm zu gewinnen. Dadurch dickt der Futterbrei ein, so dass dies schon allein zu Verstopfungen führen kann. Futtermittelzusätze, die zur Bindung von Phosphat eingesetzt werden (z.B. auf Basis von Kalziumcarbonat oder Aluminiumverbindungen) und Blutdrucksenker, können ebenfalls eine Verstopfung bedingen. Katzen mit CNE zeigten in einer Studie aus dem Jahre 2022 eine gegenüber gesunden Katzen verringerte Ausscheidungstendenz, indem sie meist nur einmal täglich, wenn überhaupt Kot abgesetzt haben.

Darmträgheit durch Indoxylsulfat

Es wird diskutiert, dass das urämische Toxin, Indoxylsulfat, einen direkten Einfluss auf die Dickdarmtätigkeit hat, indem es zu Darmträgheit führt. Das hat zur Konsequenz, dass der Futterbrei sehr lange im Dickdarm (= Colon) verbleibt und dann eindickt, weil Wasser entzogen wird. Andererseits wird aus dem Futterbrei Tryptophan (eine essentielle Aminosäure) durch die Darmbakterien zu Indol abgebaut (Proteinabbau durch Dickdarm-Bakterien). Aus Indol wird Indoxylsulfat in der Leber gebildet. Besteht eine verlängerte Passagezeit durch den Dickdarm, haben die Darmbakterien mehr Chance, Indol zu bilden. Somit entsteht wiederum mehr Indoxylsulfat und ein Teufelskreis entsteht. Dieser wird noch dadurch unterstützt, dass die Dysbiose v.a. solche Bakterienarten begünstigt, die Proteine im Dickdarm abbauen. Dazu zählen auch die vorgenannten Bakterien, die Tryptophan zu Indol verstoffwechseln, so dass mehr Indoxylsulfat entstehen.

Ungünstige Mikroben produzieren ungünstige Fettsäuren

Aus dem Proteinabbau durch die bestehende Dysbiose und die dadurch begünstigten Bakterienarten entstehen im Dickdarm ebenfalls vermehrt solche Fettsäuren, von denen sich die verzweigte kurzkettige Isovaleriansäure (= IVA: Isovaleric acid) hemmend auf die Dickdarm-Muskulatur wirkt. Die vermehrte Bildung der IVA bei der CNE-Katze kann ebenfalls negative Auswirkungen im Sinne von Darmträgheit mit der Folge von Verstopfungen und erhöhter Indolbildung haben.

Was ist die Lösung der/bei Verstopfung?

Verstopfung kann zu Bauchschmerzen und Unwohlsein bei der Katze führen. In einer der o.g. Studien erhielten die verstopften Katzen Infusionen, um den Flüssigkeitshaushalt zu stabilisieren, Einläufe und bzw. oder Lactulose, eine Zuckerverbindung aus Milchzucker, die neben einer Stuhlerweichung auch die Darmtätigkeit anregt. Durch die schnellere Darmpassage stehen den Darmbakterien weniger Proteine für die mikrobielle Verdauung zur Verfügung, so dass bei Studien an Mäusen auch Indoxylsulfat gesenkt werden konnte.

Manche Experten wie etwa Prof. Jessica M. Quimby von der Ohio-State University empfehlen gerade solche Produkte (Abführmittel wie Lactulose, andere Stuhlweichmacher oder auch Ballaststoffe) bei der CNE-Katze nicht bzw. nicht langfristig einzusetzen, weil sie Wasser aus dem eh schon dehydrierten Katzen-Körper in den Dickdarm ziehen und die Katze somit noch mehr Flüssigkeit verliert.

Quellen:

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