Den Teufel im Darm binden – Urämie reduzieren

Die Chronische Nierenerkrankung (CNE) ist eine häufige Erkrankung bei Katzen und betrifft etwa 30 % bis 40 % der Katzen über 10 Jahre. Die Erkrankung verläuft anfänglich meist schleichend mit milden Symptomen. Im fortschreitenden Verlauf jedoch kann es zu schwerwiegenden klinischen Symptomen kommen, die mit einer Urämie einhergehen. Eine Urämie steht für die Blutvergiftung mit harnpflichtigen Stoffen. Sie tritt auf, wenn die Nieren nicht in der Lage sind, diese harnpflichtigen Abfallstoffe ordnungsgemäß zu filtern und über den Urin auszuscheiden. Als klinische Symptome der Urämie können Maulgeschwüre, Erbrechen, Appetitlosigkeit und Lethargie auftreten. Diese beinträchtigen die Lebensqualität der betroffenen CNE-Katzen. Eine Reihe von Behandlungstechniken zur Verlangsamung und Verhinderung der Entwicklung einer Urämie werden derzeit untersucht und sollten bei Katzen mit CNE in Betracht gezogen werden.

Darm-Nieren-Achse als Motor der Urämie

Immer mehr Forschungsergebnisse in zahlreichen Studien unterstützen das Konzept der Darm-Nieren-Achse, eine signifikante Verbindung beider Organe, die erhebliche gegenseitige Auswirkungen auf die Gesundheit des jeweils anderen Organs hat. Im Zusammenhang mit einer Urämie bei der CNE wurde nachgewiesen, dass diese die Darmmikrobiota negativ beeinflusst, indem es zu einem Ungleichgewicht der Bakterien kommt, was auch als Dysbiose bezeichnet wird. Dabei nimmt die Vielfältigkeit der Bakterien ab und bestimmte (unerwünschte) Bakterienarten überwuchern. Gerade die letztgenannten Bakterien führen noch dazu, dass die Urämie unterstützt wird, weil sie essentielle Aminosäuren in Vorstufen urämischer Toxine (wie Indol und p-Kresol) umwandeln, so dass bei Dysbiose vermehrt urämische Toxine entstehen. Dies setzt einen Teufelskreis in Gang.

Urämische Toxine aus der Darmmikrobiota

Von besonderem Interesse sind diejenigen urämische Toxine, die Abfallprodukte des Proteinstoffwechsels darstellen (z. B. Indoxylsulfat, p-Kresylsulfat), da davon ausgegangen wird, dass diese nicht nur negative Auswirkungen auf die Darmmikrobiota (die o.g. Dysbiose) haben, sondern auch zu klinischen Symptomen der Urämie beitragen. Urämische Toxine wie Indoxylsulfat und p-Kresylsulfat, werden im Dickdarm durch den mikrobiellen Aufschluss der essentiellen Aminosäuren Tryptophan (Indoxylsulfat) bzw. Tyrosin und Phenylalanin (p-Kresylsulfat) produziert. Dabei entstehen durch die mikrobielle Verdauung zunächst die Vorstufen Indol bzw. p-Kresol im Darm, die dann in das Blut aufgenommen werden und erst in der Leber durch Enzyme in die eigentlichen urämischen Toxine Indoxylsulfat bzw. p-Kresylsulfat umgewandelt werden.

 

Im Zusammenhang mit einer Urämie bei der CNE wurde nachgewiesen, dass diese die Darmmikrobiota negativ beeinflusst.
Im Zusammenhang mit einer Urämie bei der CNE wurde nachgewiesen, dass diese die Darmmikrobiota negativ beeinflusst.

Schädliche Wirkungen urämischer Toxine

Von urämischen Toxinen, die sich bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung aufgrund der verringerten Nierenleistung im Blut ansammeln, ist bekannt, dass sie schädliche Auswirkungen haben. Die Ansammlung von Indoxylsulfat und p-Kresylsulfat bei der CNE wird in Verbindung gebracht mit:

  1. der vermehrten Produktion freier Radikale, die zu Gewebeschädigungen führen;
  2. mit der Aktivierung des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems, was den Bluthochdruck bei der CNE fördert;
  3. mit der Förderung der Nierenfibrose, der Auslösung von Entzündungen, der Schädigung von Nierentubuluszellen (im Röhrensystem der Nephrone) und der Stimulierung der glomerulären Sklerose (= Glomerulosklerose = unumkehrbare Vernarbung der Filtereinheiten der Nephrone, die zum Verlust der Filtereinheiten führt);

alles Punkte, die zum Fortschreiten der CNE und zu einer erhöhten Sterblichkeit von CNE-Katzen beitragen.

Diese urämischen Toxine beeinträchtigen zudem das neurologische System, die Blutbildung (durch die Hemmung der Erythropoetin Produktion, ein Hormon, welches in den gesunden Nieren gebildet wird) und den Knochenumsatz. Indoxylsulfat und p-Kresylsulfat beschleunigen den Muskelschwund und erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Indoxylsulfat und CNE bei Katzen

Bei Katzen mit CNE ist die Bakterienvielfalt und der Bakterienreichtum durch die vorherrschende Dysbiose, die durch urämische Toxine wie Indoxylsulfat unterstützt wird, vermindert. Darüber hinaus ist Indoxylsulfat bei Katzen mit CNE erhöht und wird mit dem Fortschreiten (= Progression) der Krankheit in direkte Verbindung gebracht. Bei einer Studie mit CNE-Katzen im IRIS-Stadium 2, einem frühen CNE-Stadium, konnten bereits deutlich höhere Indoxylsulfat-Konzentrationen im Blut nachgewiesen werden im Vergleich zu gesunden Katzen. Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass therapeutische Maßnahmen zur Reduktion von urämischen Toxinen wie Indoxylsulfat bei der Behandlung von CNE-Katzen empfehlenswert sind.

Reduktion urämischer Toxine

Zur Reduktion von urämischen Toxinen gibt es bei der CNE-Katze unterschiedliche Ansätze.

Proteinreduktion in Nierendiäten

Zum einen kann durch die Verringerung der Proteinaufnahme die Entstehung der urämischen Toxine und damit klinische Anzeichen der Urämie reduziert werden. Dieses ist der zentrale Grundgedanke hinter der historischen Empfehlung, Protein in veterinärmedizinischen Nierendiäten einzuschränken. Es liegen jedoch keine einheitlichen Daten zu den Auswirkungen unterschiedlicher Proteingehalte auf urämische Toxine bei Katzen vor. In einer Studie an gesunden Katzen war eine proteinreichere Ernährung mit vorübergehend erhöhten Konzentrationen von p-Kresylsulfat, jedoch nicht von Indoxylsulfat, verbunden. Auf der anderen Seite konnte in einer anderen Studie an Katzen mit CNE im Frühstadium erhöhte Blutkonzentrationen an urämischen Toxinen mit einem höheren Proteingehalt in der Nahrung in Zusammenhang gebracht werden.

Derzeit geht es bei den Empfehlungen zum Proteingehalt bei CNE-Katzen eher darum, das Behandlungsziel zur Proteinreduktion mit der Erhaltung der Körpermasse in Einklang zu bringen. (Anmerkung: Die Katze als obligater Fleischfresser ist auf einen hohen Proteinanteil in der Nahrung angewiesen, damit sie nicht ihre eigene Muskelmasse abbaut und an Gewicht verliert.) Die Sicherstellung einer ausreichenden Kalorienzufuhr bei der Fütterung einer proteinreduzierten Diät ist der Schlüssel dazu, dass die Katze ausreichend Nahrungsprotein erhält.

Reduzierung der Aufnahme urämischer Toxine

Die Verringerung der Absorption urämischer Toxine ist eine weitere Behandlungsstrategie, die zur Verringerung der Urämie eingesetzt werden kann. Porus® One (Inhaltsstoff: Renaltec®), ein Hochleistungsadsorber auf Kohlenstoffbasis, ist so entwickelt worden, dass er Vorläufer von Indoxylsulfat und p-Kresylsulfat im Darm bindet und so die Ausscheidung mit dem Kot unterstützt. Porus® One ist geruchs- und geschmacksneutral und kann in das Futter eingemischt und den Katzen zu den Mahlzeiten so einfach verabreicht werden. Eine aktuelle Studie aus 2024 an der LMU in München kommt zu dem Ergebnis, dass der zusätzliche Einsatz* von Porus® One Indoxylsulfat signifikant reduziert und auch zu einer Verbesserung der Progression bei Katzen im IRIS-Stadium 2 und 3 führen könnte.

Daneben gibt es noch die Möglichkeit, spezielle Probiotikum/Präbiotikum einzusetzen, die gezielt auf das Mikrobiom abzielen und dazu führen sollen, dass weniger urämische Toxine von den Darmbakterien gebildet werden. Daten zur Wirksamkeit dieser Produkte zur Senkung der Indoxylsulfat-Konzentration bei Katzen mit chronischer Nierenerkrankung liegen bislang noch nicht vor.

Steigerung der Darmtätigkeit

siehe Blog-Artikel: Verstopfung – Was dem Darm auf die Nieren geht

Verstopfungen und Darmträgheit kommt bei Katzen mit CNE häufiger vor, was auch mit einer Elektrolytverschiebung und Dehydrierung im Zusammenhang stehen kann. Darüber hinaus können urämische Toxine auch negative Auswirkungen auf die Darmtätigkeit haben und umgekehrt Verstopfungen zu höheren Konzentrationen an urämischen Toxinen führen. Dies wurde bei chronisch nierenkranken Patienten nachgewiesen im Vergleich zu Menschen mit normaler Verdauung. Eine Steigerung der Darmtätigkeit kann auch dazu beitragen, urämische Toxine zu verringern, die durch den gesteigerten Proteinabbau bei Darmträgheit (Anmerkung: die Darmbakterien kommen dann mit mehr Proteinen in Kontakt, so dass mehr abgebaut werden kann) entstehen.

Therapieansätze für die Verbesserung der Darmtätigkeit und die Verringerung von Verstopfung können die Korrektur von Dehydrierung und Elektrolytungleichgewicht durch Infusionen und die Verwendung von Stuhlweichmachern sein. Letztere haben jedoch den Nachteil, dass sie Wasser in den Darm ziehen und es dort binden, so dass es mit dem Kot verlorengeht. Das wiederum fördert die Dehydrierung der CNE-Katze und kann daher contra-produktiv sein.

Zusammenfassung:

  • Urämie ist die Ansammlung von Abfallprodukten (wie urämischen Toxinen) im Blut aufgrund einer verminderten Nierenfunktion. Sie kann bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung zu klinischen Symptomen wie Erbrechen, Appetitlosigkeit, Maulgeschwüre und Lethargie führen.
  • Urämische Toxine tragen zur Verschlechterung der Nierenfunktion und Fortschreiten der CNE bei und haben weitreichende systemische Auswirkungen. Dazu zählen beschleunigter Muskelschwund und verminderte Produktion von Erythropoetin, die zu Blutarmut führen kann.
  • Die gezielte Reduktion urämischer Toxine kann eine wirksame Behandlungsmethode sein, um das klinische Bild von Patienten mit chronischer Nierenerkrankung zu verbessern, dadurch ihre Lebensqualität zu fördern und das Fortschreiten der CNE zu verlangsamen.
  • Porus® One, ein geschmacks- und geruchsneutraler Adsorber für Katzen mit chronischer Nierenerkrankung, bindet die Vorläufer von urämischen Toxinen im Darm. Diese werden anschließend mit dem Kot ausgeschieden, bevor sie in urämische Toxine umgewandelt werden können.

 

Quellen:

  • Elzenbeck, I., Teichmann-Knorrn, S., Hartmann, K., Zablotski, Y., Suchodolski, J., & Dorsch, R. (2024). Evaluierung des Effekts von Renaltec bei Katzen mit chronischer Nierenerkrankung im IRIS-Stage 2 und 3. [Poster Präsentation]. 31. Jahrestagung der DVG-Fachgruppe “Innere Medizin und klinische Labordiagnostik.”. 03.-04. Februar 2024, Göttingen.
  • Quimby, J. (2023). Uremic Toxins in Feline Chronic Kidney Disease: Why Should We Care? Clinician’s Brief. https://www.cliniciansbrief.com/article/clinical-notes-uremic-toxins-feline-chronic-kidney-disease-why-should-we-care
  • Quimby, J. (2023, 17. Juni). Uremic Toxins a Targeted Therapy. [Konferenzbeitrag]. ACVIM Forum. Philadelphia, Pennsylvania, USA. 09:10-10:10 Uhr.

*Alle Katzen sowohl in der Kontroll-, als auch in der Renaltec®-Gruppe wurden gemäß IRIS-Guidelines behandelt und erhielten sowohl Nierendiät als auch Medikamente. Die mit Renaltec® behandelte Gruppe erhielt zusätzlich zu Nierendiäten und Medikamenten noch 1 x täglich 500 mg Renaltec®.