Harn-Untersuchung bei Seniorkatzen

Neben regelmäßigen Check-ups, die meist auch eine Blutuntersuchung enthalten, empfiehlt sich bei Seniorkatzen im Alter von 9–13 Jahren zudem eine Harnuntersuchung. Gerade zur Untersuchung der Nierengesundheit der Katze kann der Harn wertvolle Hinweise geben, da er direkt in den Nieren gebildet wird. Die Harnbildung ist eine Nierenfiltrationsleistung, deren Verminderung auf das mögliche Vorliegen einer Chronischen Nierenerkrankung der Katze (CNE) hinweisen kann.

Nicht erst von Schwangerschaftstests weiß man, dass der Harn ein gutes Untersuchungsmedium darstellt, um Veränderungen im Körper nachzuweisen. Dabei ist nicht nur wichtig, welche Moleküle und Bausteine bzw. Beimengungen (z.B. Blut) im Harn enthalten sind und in welcher Menge. Auch die Höhe des Wasseranteils ist relevant. Der Wasseranteil bestimmt häufig auch das Harnvolumen. Der Harn kann neben Kristallen (Hinweis auf Steinbildung), Bakterien (z.B. Harnwegsinfektionen, aber auch bei 30% der CNE-Katzen ist die mikrobiologische Untersuchung des Harns positiv) und Zellen (z.B. Harnblasentumoren) in der Diagnostik der CNE auch Proteine enthalten. Diese können einen Hinweis auf das Vorliegen einer Proteinurie (Verlust von Proteinen über den Harn) geben.

Daneben enthält der Harn natürlicherweise sogenannte harnpflichtige Substanzen. Das sind wasserlösliche Schadstoffe, wie urämische Toxine, die Abbauprodukte des Proteinstoffwechsels darstellen. Zu den harnpflichtigen Substanzen gehören auch weitere Abbauprodukte. Sei es aus der Verstoffwechselung von Nahrung oder beispielsweise auch Arzneimitteln. Die Nieren sind Ausscheidungsorgane, die das Blut und damit den Körper von eben diesen Schadstoffen und Abbauprodukten reinigen. Über den Urin verlassen diese Stoffe den Katzenkörper.

Harn ist nicht lagerungsfähig

Harn ist jedoch ein instabiles Probenmaterial. Es stellt besondere Ansprüche an Entnahme- und Untersuchungszeitpunkt. So ist der Harn nur etwa 30 Minuten bei Raumtemperatur lagerungsfähig. Morgenurin beispielsweise eignet sich gut für die Beurteilung der Konzentrationsfähigkeit der Nieren. Dazu müssen jedoch mehrere Untersuchungen hintereinander durchgeführt werden. Die Konzentrationsfähigkeit des Harns ist eine Leistung der Nieren, möglichst viel Wasser aus dem gebildeten Urin am Ort seiner Entstehung, also in den Nieren, wieder zurückzugewinnen. In den Nieren wird bei der Bildung des Urins zunächst viel Wasser in die Filtereinheiten (Nephrone) ausgepresst, das dann in nachfolgenden Abschnitten der Nieren zurückgewonnen werden muss. Der Flüssigkeitshaushalt ist sehr empfindlich. Bereits eine 2%ige Veränderung der Wassermenge im Körper kann gesundheitliche Nachteile für die Katze bedeuten.

Spezifisches Harngewicht sinkt bei CNE

Diese Konzentrationsfähigkeit des Harns wird als Spezifisches Harngewicht (SG) gemessen. Sinkt das Spezifische Harngewicht, so wird der Harn heller und enthält mehr Wasser. Das Harnvolumen kann gleichzeitig erhöht sein, so dass die Katze deutlich mehr pinkelt (Polyurie). Die Nieren verlieren ihre Fähigkeit zur Harnkonzentration, wenn Nierenfunktionsgewebe im Laufe der CNE zerstört wird. Ein geringes SG kann jedoch auch auftreten, wenn die Katze viel getrunken hat oder infundiert wurde. Das muss bei der Beurteilung des Spezifischen Harngewichts berücksichtigt werden. Das SG wird aber nie alleine beurteilt, sondern nur in Kombination mit einer Blutuntersuchung.

Bei einer CNE der Katze sinkt das spezifische Gewicht des Harns (SG) unter 1,035.

Verliert die Katze viel Wasser über die Nieren, weil die Nieren ihre Konzentrationsfähigkeit im Laufe der CNE verloren haben und das Harnvolumen (Polyurie) steigt, muss die Katze gleichzeitig viel Wasser aufnehmen. Früher bestand der Irrglaube, dass die Katzen ihre Nieren „gut durchspülen“, wenn sie viel trinken (Polydipsie=PD) und viel Urin absetzen (Polyurie=PU). Heutzutage weiß man, dass dieser Wasserverlust über die Nieren ein Zeichen für die eingeschränkte Nierenleistung und keinesfalls positiv zu beurteilen ist. PU und PD sind meist als erste Anzeichen einer Nierenfunktionsstörung zu werten. Wenngleich zu diesem Zeitpunkt bereits über 70% des Nierenfunktionsgewebes zerstört sind. Wichtig ist, dass die Katze gleichzeitig viel trinkt, wenn sie viel Wasser verliert. Sonst trocknet sie aus. (→ s. auch Die Katze das Wüstentier)

Harngewinnung ist bei Katzen schwierig

Es gibt geeignete Einstreu für das Katzenklo zur Gewinnung von Harn, der dann zur Untersuchung in der Tierarztpraxis abgegeben wird. Daneben wird meist vom Tierarzt die Blase punktiert um frischen Harn direkt untersuchen zu können. Das ist eine Prozedur, die nicht jede Katze ohne Weiteres über sich ergehen lässt. Daher wird die Harnuntersuchung viel zu selten verwendet, um die CNE zu diagnostizieren. Teststreifen, die von Katzenbesitzern in die Katzentoilette gehalten werden, wo noch etwas Urin steht, können sehr unterschiedliche und zum Teil verwirrende Ergebnisse liefern. Bei Proteinurie können sie manchmal erste Hinweise darstellen. Meist ist das Ergebnis aber leider nicht aussagekräftig genug. Eine Proteinurie wird mit dem sogennanten UPC (= Urine protein-to-creatinine ratio), das ist das Verhältnis von Urin-Protein zu Kreatinin, beurteilt. Die International Renal Interest Society (IRIS) hat zur Beurteilung einer Proteinurie die folgenden Werte festgelegt:

Laut IRIS liegt bei einem UPC-Quotienten im Bereich über 0,4 eine Proteinurie vor.

Proteine werden vermehrt in den Harn ausgepresst

Eine Proteinurie tritt bei Bluthochdruck (Hypertonie) auf. Dann werden in den Filtereinheiten (Nephrone) vermehrt Proteine vom Blut in den Harn ausgepresst, die üblicherweise nicht ausgefiltert werden. Der Grund dafür liegt in einem erhöhten Filtrationsdruck durch den gestiegenen Blutdruck. Physiologischerweise lassen sich nur sehr geringe Menge Eiweiß im Harn nachweisen. Bei einer CNE ist das geschädigte Nierengewebe zudem nicht in der Lage, diese ausgepressten Proteine zurückzugewinnen, so dass die Proteine dem Körper mit dem Urin verloren gehen.

Eine erhöhte Proteinausscheidung kann bei Entzündungen, Harnsteinen und auch im Zusammenhang mit der Fütterung oder dem Geschlecht (Kater) auftreten. Daher werden weitere Urinuntersuchungen auf Zellen, Bakterien und Harnsteine empfohlen, um die Diagnose einer Proteinurie zu überprüfen. Zudem werden 3 aufeinanderfolgende Analysen des UPC innerhalb von 1–2 Monaten empfohlen, um das Vorliegen einer mögliche Proteinurie abzusichern.

Bei den mit dem Urin ausgeschiedenen Eiweißen handelt es sich meist um Albumine und Globuline. Ihr starker Verlust kann zu Ödemen führen, also Wasseransammlungen im Körper. Denn Proteine führen zu einem sog. onkotischen Druck, der dafür sorgt, dass Flüssigkeit im Blut gehalten wird und nicht in die Gewebe austritt. Verliert der Körper diese wichtigen Plasmaproteine über den Harn, kann Wasser in die Gewebe austreten. Zudem trägt der Proteinverlust zusätzlich zur Auszehrung einer CNE-Katze bei. Die Kontrolle auf Vorhandensein der Proteinurie ist daher sehr wichtig für das Management einer CNE-Katze. Eine Proteinurie ist behandelbar (→ mehr dazu unter Therapie).

Vorsorglich sollte der Blutdruck bei Seniorkatzen jedes Jahr, bei Katzen mit diagnostizierter CNE alle 3–6 Monate kontrolliert werden.

 

Quellen: